Schutz der Opfer hat Vorrang
von Gastautor
Aus drehscheibe 07/2024
Zu einem Artikel über die Unfallstatistik 2023 der Polizei für Sulzbach-Rosenberg hatte der Autor ein Symbolbild gestellt, das ein Gedenkkreuz zeigt, das am Straßenrand steht. „Warum nehmt ihr eigentlich kein Foto zu einem der beiden Unfälle, die im Text erwähnt sind?“, wollte ein Leser wissen.
Die Unfälle hatten Todesopfer gefordert. In einem Fall starb eine Seniorin an den Spätfolgen. Ein Jahr nach dem tragischen Unglück verzichtete der Autor mit Rücksicht auf die Angehörigen und wegen des im Pressekodex verankerten Opferschutzes darauf, die Details des Unfalls zu nennen.
Konkreter wurde der Verfasser des Artikels bei einem Mann, der nach einer Kollision mit einem entgegenkommenden Auto sein Leben verlor. Er erwähnte das Alter des Verstorbenen und wo sich der Unfall ereignet hatte. Identifizierbar wurde das Opfer dadurch nicht.
Zu der Entscheidung, bei Unfällen nur noch mit Symbolbildern zu arbeiten, hatte unter anderem ein Ereignis aus dem März 2021 geführt. Im überregionalen Teil unserer Zeitung erschien ein Artikel über die Unfallstatistik für die Oberpfalz. Bebildert war er mit einer Archivaufnahme, die 2018 nach einem tödlichen Unfall entstanden war. Eine Leserin beklagte daraufhin zu Recht, dass sie völlig unvorbereitet mit einem für sie schockierenden Unfallbild konfrontiert wurde. Das Opfer war ihr Sohn. Damals wünschte sich die Mutter: „Zum Schutz Betroffener und Angehöriger sollten Bilder von Unfällen mit Todesfolge tabu sein.“
In solchen Fällen sollte stets auf Symbolfotos aus dem dpa-Archiv zurückgegriffen werden, auf denen nicht zu erkennen ist, um welchen Unfall es sich handelt und wo er sich ereignet hat.
Unser Chefredakteur Kai Gohlke hat damals Grundsätzliches zusammengefasst: „Besonders bei Verkehrsunfällen besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Schilderung des Unfallhergangs und der Folgen für andere Verkehrsteilnehmer (...) Dieses erstreckt sich jedoch ausdrücklich nicht auf die persönlichen Folgen für die Betroffenen, insbesondere die Art der erlittenen Verletzungen. Diese sind Privatsache und gehen die Öffentlichkeit nichts an.“
Während es früher vor allem darum ging, die Folgen des Unfalls in allen Einzelheiten zu dokumentieren, sind wir bei den Bildern heute viel zurückhaltender. Wir schwärzen oder verpixeln nicht nur Nummernschilder, sondern in manchen Fällen auch Aufschriften oder sonstige auffällige Details, die Rückschlüsse auf die Identität der Unfallbeteiligten zulassen würden.
Der Presse kommt gerade in Zeiten der Verbreitung von Bildern über soziale Medien eine besondere Verantwortung zu. Es kann nicht sein, dass Feuerwehren inzwischen Sichtschutzwände anschaffen, um Gaffer am Fotografieren zu hindern – und wir dann als Pressevertreter diesen Schutz umgehen, um wiederum nur einen reinen Voyeurismus zu befriedigen. Deshalb gilt bei Oberpfalz Medien der Grundsatz, dass wir keine Fotos veröffentlichen, die explizit das persönliche Leid der Betroffenen zeigen.
Wir konzentrieren uns deshalb auch bei den Bildern in der Regel auf die Folgen für die Allgemeinheit: Straßensperrungen, Staus und die Leistungen der Rettungskräfte.
Der vollständige Beitrag erschien am 22. März 2024 auf Onetz.de. Er wurde redaktionell leicht bearbeitet und gekürzt.
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