Leseranwalt

Unfallzeugen identifizierbar gemacht

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Aus drehscheibe 08/2024

Ein Artikel auf Onetz.de, dem Online-Portal von Oberpfalz Medien, trug die Überschrift „Kleintransporter beschädigt Gartenzaun in Flossenbürg“. Die Polizeimeldung begann so: „Am Montagmittag gegen 11.30 Uhr hörte ein 44-jähriger Echinger, der zu Besuch bei seiner Mutter im Flossenbürger (...) war, einen lauten Knall.“ Was an dieser Stelle absichtlich weggelassen wird, ist die leider im Originaltext erwähnte Straße, in der die Frau wohnt.

Der Leseranwalt bekam daraufhin Post. Er sei der 44-jährige Echinger, schrieb mir ein Mann und stellte die Frage, welche Relevanz die in dem Artikel veröffentlichten Daten zu ihm als Zeuge hätten. „Aus meiner Sicht sind personenbezogene Angaben zu einem Zeugen absolut irrelevant für den Sachverhalt und daher nicht in dieser Form ohne vorherige Zustimmung publizierbar“, legte er seine Sicht dar und erbat sich eine Antwort.

In der täglich stattfindenden Morgenkonferenz sämtlicher Redaktionen wurde die Angelegenheit thematisiert. Alle waren sich einig: Die Daten des Mannes haben hier nichts zu suchen, denn sie haben mit der Nachricht nichts zu tun und machen ihn identifizierbar. Der Tenor lautete: Wir sind für das verantwortlich, was wir veröffentlichen, und können uns nicht darauf berufen, dass die Polizei das in ihrer Meldung geschrieben hat.

Die Leiterin der Lokalredaktion Weiden, Simone Baumgärtner, kündigte nach der Konferenz an, gleich mit dem Verfasser der Polizeimeldung zu reden und die identifizierende Passage zu streichen. Wenig später hieß es im Onetz nur noch: „Am Montagmittag gegen 11.30 Uhr hörte ein Mann, der zu Besuch in Flossenbürg war, einen lauten Knall.“

„Sie haben natürlich völlig recht“, antwortete ich dem Betroffenen, dankte ihm dafür, dass er uns auf den Fehler in der Berichterstattung aufmerksam gemacht hatte und informierte ihn, dass die beanstandete Passage in der Online-Meldung nicht mehr zu lesen sein wird. Die ursprüngliche Textversion, bestätigte ich, sei nicht mit dem Persönlichkeitsschutz vereinbar: „An einer so detaillierten ,Zeugenbeschreibung‘ besteht kein öffentliches Interesse, diese Daten, die Sie für einen Teil der Leser identifizierbar machen, gehen niemanden etwas an. Sie hätten (...) nur mit Ihrer Einwilligung so veröffentlicht werden dürfen.“ Ich bat ihn, der Redaktion das Missgeschick, das wohl „in der Hitze des Gefechts‘“passiert ist, nachzusehen.

Der Mann reagierte gelassen und zeigte sich sehr kulant: „Da ich (...) aus beruflichen Gründen für das Thema Datenschutz sensibilisiert bin, hat mich die Art der Darstellung verwundert. Aber wenn das ein Fehler war, ist es für mich nun nachvollziehbar.“

Ergänzend noch einige wenige Sätze zu Mitteilungen aus Ämtern und Behörden, die im Tagesgeschäft eine Redaktion nahezu täglich erreichen. Die Verfasser solcher Meldungen, also zum Beispiel auch Staatsanwaltschaften und Polizei, gelten in der Rechtsprechung als privilegierte Quellen. Das bedeutet: Redaktionen wird im juristischen Streitfall zugebilligt, dass sie deren Informationen nicht mehr überprüfen müssen. Dies darf allerdings nicht die journalistische Verantwortung für den Inhalt ablösen.

Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Der neue Tag. Er wurde redaktionell bearbeitet und gekürzt.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

E-Mail: juergen.kandziora@oberpflazmedien.de

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