Wenn die Behörden mauern
von Gastautor
Aus drehscheibe 09/2020
Die Covid-19-Pandemie hat weltweit Auswirkungen auf die Pressefreiheit, meldete vor einigen Wochen die Organisation Reporter ohne Grenzen. „Regierungen halten Informationen über Ansteckungs- und Todesfälle zurück und versuchen, die Berichterstattung zu manipulieren. Journalistinnen, Journalisten und ihre Redaktionen werden verfolgt oder schikaniert, weil sie unabhängige Informationen verbreiten. Forderungen nach flächendeckender Datenerfassung und nach Strafen für die Verbreitung falscher Informationen werden salonfähig“, heiß es da schon im Einleitungstext.
Doch Situationen, die man eigentlich eher in Ländern wie Nordkorea oder in Südamerika vermuten würde, die oft genug in der Leseranwalts-Rubrik kritisiert werden, machten sich auch in der Region der Zeitungsgruppe Hof-Coburg-Suhl-Bayreuth (HCSB) bemerkbar. Denn im Landkreis Tirschenreuth/Oberpfalz blockte der Landrat die Nachfragen der Medien zum regionalen Infektionsgeschehen ab und begründete dies mit Persönlichkeitsrecht und Datenschutz. Doch Nachfragen gab es zuhauf, und das nicht ohne Grund: 1.139 Infizierte und 138 Tote – es gibt keinen Landkreis in Deutschland, in dem das Corona-Virus schlimmer gewütet hat als in Tirschenreuth. Der Oberpfälzer Landkreis geht, so schrieb die Frankenpost, in die Geschichte der Corona-Pandemie als der Hotspot schlechthin ein; und bei Journalisten hat er eine traurige Berühmtheit erlangt als ein Landkreis, der zwar viele Pressemitteilungen verbreitet, auf klare Fragen aber ausweichend oder gar nicht antwortet.
Am 19. April waren es bereits 993 Infizierte, dazu 67 Tote. Frankenpost-Redakteur Thomas Scharnagl stellte die Frage, wie sich das Amt die hohe Todesrate erkläre, wie viele der Opfer in Altenheimen lebten. Dazu wollte er wissen, wie sich die Infektionen auf die einzelnen Städte und Gemeinde verteilten. Das Landratsamt schwieg sich aus und führte Datenschutz-Gründe an. Gegenüber unserer Zeitung und gegenüber allen anderen Medien. Auch die Wochenzeitung Die Zeit stieß auf Mauern, durfte auch nicht mit dem Leiter des Gesundheitsamts sprechen.
Unsere Zeitung pochte auf ihr Recht nach Information. Den Menschen in der Region steht es zu, über die lokalen und regionalen Unterschiede des Infektionsgeschehens informiert zu werden. Wir übergaben den Fall an die Konzernjuristen. Deren Briefe brachten den Landrat nicht zur Einsicht, die Wende kam erst mit dem beauftragten Medienanwalt Martin Schippan, der die Sache vor das Verwaltungsgericht Regensburg brachte. Das Gericht befand, die Behörde müsse die Anfrage beantworten. Und dann ging alles ganz schnell.
Die Leser waren begeistert und vor allem dankbar. Einer schrieb uns: „Ich habe per E-Mail und telefonisch um die Veröffentlichung gebeten. Weder die Mail an den Landrat noch das Telefonat mit dem Gesundheitsamt noch ein Leserbrief hatten Erfolg. Dass Sie das geschafft haben, freut mich außerordentlich.“
Das Urteil, das die Frankenpost erstritten hat, ist inzwischen auch in anderen Landkreisen, wo Behörden ebenfalls mauerten, zum „Eisbrecher“ geworden. Es ist zudem ein deutliches Zeichen dafür, dass der Rechtsstaat funktioniert und der Presse die Freiheit zur Berichterstattung garantiert. Chefredakteur Marcel Auermann schrieb deshalb: „Die Entscheidung des Gerichtes ist ein Sieg für das Informationsrecht der Bürger und für die Pressefreiheit.“
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