Leseranwalt

Wenn ein Lastwagen ins Blatt rauscht

von

Aus drehscheibe 03/2022

Leider häufen sich unzureichende Darstellungen von Pressemitteilungen auf Lokalseiten. Oft ist in Artikeln nicht klar kenntlich gemacht, wie viele der darin enthaltenen Aussagen ursprünglich von einer Pressestelle stammen. Zuweilen sind es nämlich alle. Leserinnen und Leser können das bestenfalls ahnen.

Quellenangaben nur für einzelne Passagen 

Regelmäßig genutzte Formulierungen – wie etwa „wie es in einer Pressemitteilung heißt“ oder „wie das Amt schreibt“ – machen die Herkunft jeweils nur für einzelne Passagen eines Artikels kenntlich. Dass darüber hinaus in dem Beitrag möglicherweise alle Angaben der Pressemitteilung entspringen, davon kann man sich dann selbst online auf der Homepage der jeweiligen Pressestelle überzeugen.

Vollständig übernommene Mitteilung

Als typisches Beispiel nenne ich einen Beitrag von etwa 175 Zeilen aus dem Würzburger Lokalteil der Main-Post vom 1. Februar mit der Überschrift „Groß, effizient und sieben Meter länger“. Der Beitrag findet sich fast eins zu eins auf der Seite Landkreis-wuerzburg.de – Titel dort: „Groß, effizient und ressourcenschonend: Landratsamt Würzburg begutachtet und überwacht Einsatz von Lang-Lkw“. Auch auf Mainpost.de ist die redaktionelle Veröffentlichung dieser Pressemitteilung unter der Überschrift „Landratsamt begutachtet und überwacht Einsatz von Lang-Lkw“ nachzulesen.

Amtliche Public Relations 

In der Zeitung erscheint zwar eine Quelle: in dem Hinweis, dass laut Pressemitteilung des Landratsamtes eine Delegation aus diesem Amt einen Lang-Lkw begutachtet hat. Weiter unten heißt es, dass die Ladung auf diesen Fahrzeugen laut Pressemitteilung geschont wird, ebenso die Straßenbeläge, weil das Gewicht auf mehr Achsen verteilt ist. Und wir lesen, dass der Landrat laut Pressemitteilung die Lang-Lkw als große Chance gerade für Unternehmen im Kreis sieht. Alle anderen schönen Erklärungen und Zitate bleiben ohne Quellenangabe, enstammen aber auch der Pressemitteilung, sind also amtliche Public Relations (PR) in Sachen Lang-Lkw. Es genügt nicht, bei einer oder zwei Informationen „wie es in einer Pressemitteilung heißt“ hinzuzufügen. Die Quelle muss jederzeit für jede ­Information erkennbar sein.

So gesehen hat eine der Stabsstellen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landrates Würzburg einen vierspaltigen Artikel im „unabhängigen“ redaktionellen Teil der Zeitung untergebracht. Eine Illustration wurde ihm ebenfalls mitgegeben. Bei den Lesern indes stellt sich der Eindruck ein, all das habe ein Redakteur oder eine Redakteurin – am Text-Ende mit vier Buchstaben gekürzelt – recherchiert und geschrieben. Und das ist irreführend.

Im Interesse der Auftraggeber 

Den Pressestellen, oft professionell von Journalisten besetzt, sollte man keine schlechten Absichten unterstellen. Ihre Mitteilungen können und sollen durchaus nutzwertig und informativ sein. Aber die Mitarbeiter von Pressestellen handeln nicht unabhängig, sondern im Interesse ihrer Arbeitgeber. Mit vollständigen Übernahmen solcher Verlautbarungen vernachlässigen Redaktionen ihre Kontrollaufgabe gegenüber Politik und Behörden. Um Pressemitteilungen und ihre zunehmende Bedeutung noch besser zu erklären, haben wir von der Vereinigung der Medien-Ombudsleute einen Leitfaden für den redaktionellen Umgang mit Pressemitteilungen herausgebracht. Ich empfehle ihn auch interessierten Leserinnen und Lesern.

Link 

Zum Leitfaden: www.t1p.de/leitfaden-pm

Dieser Artikel erschien Anfang Februar in der Main-Post und wurde leicht gekürzt und redaktionell bearbeitet.

Anton Sahlender

Autor

Anton Sahlender war von 1988 bis 2014 stellvertretender Chefredakteur der Main-Post. Seit 2004 ist er Leseranwalt der Zeitung.

Telefon: 0170 – 836 28 80
Mail: anton.sahlender@mainpost.de

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