Leseranwalt

Zeitungen sind kein Kabarett

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Manchmal trifft die Sprache der Berichterstattung nicht jedermanns Geschmack. Zum Beispiel in diesem Fall, der eine Leserin verärgerte.

Es geht um die Rezension einer Kabarettveranstaltung mit Holger Paetz im Würzburger Bockshorn vom 24. Oktober 2011. Die Überschrift lautet: „Merkel als Gesäß-Göttin“. Ich erkläre nicht, ob gut oder schlecht, ob richtig oder falsch. Ich habe aber eine Meinung dazu.

Veranlasst hat mich dazu das Schreiben einer Frau, die sich bei mir als treue und gewöhnlich zufriedene Leserin meldet. Ich zitiere zunächst sie: „...so eine Überschrift schlägt für mich dem Fass den Boden aus! Wir gehen nicht zu solchen Veranstaltungen, wo derart anmaßend mit der Sprache umgegangen wird und ich mag eine solche Sprache auch in meiner Zeitung nicht haben. Holger Paetz kommt zum Ergebnis: Die Sprache spinnt. Ich muss ihm da widersprechen. Es ist nicht die Sprache. Die kann nichts dafür, wie sie eingesetzt und gebraucht wird. Es sind die Menschen, die sich der Sprache bedienen, die hier angefragt werden müssen, ob sie denn noch wissen, was sie sagen; bzw. schreiben.“ Zitatende.

Zweifellos kann Sprache nichts dafür und auch nicht der Autor des Beitrags. Er hat richtig zitiert. Und dem Künstler, der wohl weiß, was er da gesagt hat, ist fast jedes Spiel mit Worten erlaubt, zumal auch das seine Kunst ausmacht. Darin ist er frei. Ebenso wie es der Leserin freigestellt ist, Gags und deren Sprache nicht gut zu finden oder derartige Veranstaltungen zu meiden.

Eine andere Frage ist es, ob Paetz‘ gewiss wenig schmeichelhaft gemeinte Kehrseite der Bundeskanzlerin gleich in der Überschrift erscheinen muss, zumal sie im Text nur zu einer Aufzählung gehört. Sie muss nicht. Sie kann aber, denn er hat sie zumindest ausgesprochen, der Kabarettist, die „G.-Göttin“.

Genau die hätte ich nicht in die Überschrift genommen. Nicht in diesem Fall. Der Text bietet andere Möglichkeiten an. Eine journalistische Kabarettkritik ist selbst kein Kabarett. Sie wendet sich nicht an ein Publikum, das auf Bissiges und Bösartiges eingestellt ist. Zeitungsleser sind in dieser Rolle keine Besucher einer Kleinkunstveranstaltung. Bei ihnen muss eine solche Bezeichnung in einer Überschrift eine deutlich andere Wirkung erzielen. Darüber gibt es aber in der Redaktion abweichende Meinungen. Das ist so manches Mal der Fall. Ich bin auch keine letzte Instanz, sondern oft nur das schlechte Gewissen.

Frau Merkel, die einiges gewohnt ist, wird es ertragen können. Die Leserin ist in einer anderen Rolle. Sie schreibt: „Ich bin Lehrerin an einer Grundschule. Und ganz ehrlich: Mir hängt diese Art Sprache, die mittlerweile schon bei unseren Grundschülern angekommen ist, zum Hals heraus!!!“ – Ich habe dem nur hinzuzufügen, dass man nicht früh genug damit anfangen kann, den Umgang mit Sprache und Medien zu lehren.

Anton Sahlender

Autor

Anton Sahlender ist seit 1988 Mitglied der Chefredaktion der Main-Post (Würzburg). Als Leseranwalt vertritt er die Interessen der Leser in der Redaktion. Dafür wurde er unter anderem mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgezeichnet.
Tel: 0931 – 60 01 45 38 80
E-mail: anton.sahlender@mainpost.de
Internet: mainpost.de/leseranwalt

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