Leseranwalt

Zu wenig Krieg im Blatt

von Gastautor

Aus drehscheibe 03/2025

Ihm falle seit einiger Zeit auf, schrieb mir ein Leser aus Amberg, „dass in der Amberger Zeitung nichts Wesentliches mehr über den Ukraine-Krieg steht“. Überall beschäftigten sich Medien damit, dass Deutschland eventuell eine heiße Phase dieses Krieges drohe. Der Leser wörtlich: „Unser Bundeskriegsminister (nicht Verteidigungsminister, wie es eigentlich sein sollte) spricht offen darüber, dass sich Deutschland kriegstauglich machen soll. Da müssten in Ihrer Zeitung höchste Alarmglocken läuten! Präsident Selenskyj fordert sogar den Einsatz deutscher Truppen in der Ukraine. Man könnte die Liste beliebig fortführen.“ Aber zu alldem sei in der Zeitung nichts zu lesen. Vielmehr würden „unwichtigen Sachen ganze Seiten gewidmet“. Er könne das nicht verstehen, so der Leser.

In diesem Fall antwortete nicht ich dem Leser, sondern bat Stefan Zaruba, dies zu tun, denn er ist bei uns im Haus Leitender Redakteur Themenplanung und der Chef der Zentralredaktion. Er wandte sich mit folgenden Worten an den Leser: „Ich bedauere, dass Sie sich nicht ausreichend durch unsere Inhalte informiert fühlen. Grundsätzlich haben wir als regionales Medienunternehmen eine andere Ausrichtung als zum Beispiel eine überregional verbreitete Tageszeitung oder ein öffentlich-rechtlicher Sender. Der Schwerpunkt unserer Themen liegt in der Region. Unser Anspruch ist es aber sehr wohl, auch eine Grundversorgung mit relevanten, überregionalen Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur anzubieten. Vor diesem Hintergrund habe ich die Ausgaben unserer Tageszeitung der letzten Wochen beleuchtet. Tatsächlich erscheinen auch mir der Krieg in der Ukraine, der Konflikt mit Russland und die sicherheitspolitischen Debatten im Inneren unterrepräsentiert.“

Er könne an dieser Stelle keine Begründung dafür liefern, da die gedruckte Zeitung immer eine Momentaufnahme ist, erklärte Zaruba. Für einen einzelnen Beitrag, eine einzelne Seite oder auch eine Ausgabe ginge das. Aber in dem betrachteten Zeitraum über mehrere Tage hinweg hätten viele Kolleginnen und Kollegen bei unterschiedlichsten Nachrichtenlagen Entscheidungen getroffen, die er nicht alle kenne. „Ich habe Ihre Beobachtung aber bereits ans Team weitergegeben“, teilte Zaruba dem Leser mit und versprach: „Wir werden Ihren Hinweis in unseren internen Prozessen berücksichtigen.“ Es freue ihn, antwortete der Leser Zaruba, „wenn Sie sensibilisiert dieses Thema aufgreifen. Es liegt mir halt am Herzen, dass die Kriegswarnungen nicht ignoriert werden“.

Im Austausch mit mir als Leseranwalt betonte Zaruba, „dass Nachrichtenlagen dynamisch sind und ein Printprodukt immer eine Momentaufnahme abbildet“. Und auch dies war ihm wichtig: „Positiv ausgedrückt bedeutet es, dass wir nicht voreingenommen oder gar von irgendjemandem gesteuert Inhalte planen und dann stur durchziehen, sondern die Nachrichtenlage täglich neu im Blick haben und stündlich auf Aktualisierungen und unerwartete Ereignisse reagieren. Das fällt oft erst auf, wenn dadurch ein Thema über einen Zeitraum hinweg unterrepräsentiert erscheint.“

Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Der neue Tag. Er wurde redaktionell bearbeitet.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

E-Mail: juergen.kandziora@oberpflazmedien.de

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