Lokaltipp November 2022

Wie Propaganda Familien spaltet

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(Foto: Screenshot Neue Osnabrücker Zeitung)
(Foto: Screenshot Neue Osnabrücker Zeitung)

Idee

„Mit russischer Propaganda hatte ich mich schon in meinem Podcast ,Digga Fake‘ auseinandergesetzt“, erzählt die freie Journalistin und Podcasterin Victoria Graul. „Ich dachte mir, das ist sicherlich auch was für die Neue Osnabrücker Zeitung.“ Die Redaktion willigte sofort ein in das Thema, bat aber darum, die Geschichte zu personalisieren.

Kontaktaufnahme

„Mir war klar, dass es schwer sein würde, jemanden zu finden, der über das heikle Thema sprechen würde“, erzählt Graul weiter. „Ich habe aber ein Netzwerk in der russischen Community, dort reichte ich meine Nachfrage ein und betonte zugleich, dass es möglich sei, die Geschichte zu anonymisieren.“ So kam der Kontakt zu einer Russlanddeutschen zustande, die Graul im Text „Elena“ nennt. „Wir führten zunächst ein telefonisches Vorgespräch und verabredeten uns dann zu einem Videointerview. Elena fand das Thema absolut wichtig und wollte ihren Beitrag dazu leisten.“

Form

Die Geschichte Elenas ist in Form eines Protokolls niedergeschrieben. Der Vorschlag dazu kam von der Redaktion. „So sollte der persönliche Eindruck meiner Gesprächspartnerin stärker zur Geltung kommen“, sagt Graul.

Umsetzung

„Ich sprach rund zwei Stunden mit Elena“, erzählt die Journalistin weiter. „Es war wichtig, sich viel Zeit zu nehmen, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Außerdem hakte ich oft nach und bat Elena um konkrete Beschreibung ihrer Gefühle und Gedanken, um diese persönliche Note zu erhalten.“ In dem Protokoll berichtet die junge Frau darüber, wie sehr sich die staatliche russische Propaganda in den Menschen festsetzt, auch bei ihren eigenen Eltern, die inzwischen in Norddeutschland leben, und wie das die Familien spaltet. Der Text erschien zuerst in dem Online-Magazin „XL Magazin“ der Neuen Osnabrücker Zeitung, dann auch in Print. Hier war ein Infokasten beigestellt, in dem es um den „Fall Lisa“ geht, eine Verschwörungserzählung aus dem Jahr 2016, derzufolge eine Russlanddeutsche in Berlin vergewaltigt worden sein soll. „Das waren Fake News, die damals im russischen Staatsfernsehen breitgetreten wurde. Ich recherchierte den Hintergrund, unter anderem auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung“, sagt Graul. Im Keller der Printseite war überdies ein AFP-Text zu lesen, in dem es um zwei junge russische Frauen geht, die gegen den Krieg demonstrieren.

Reaktionen

„Der Text im ,XL Magazin‘ ist sehr gut geklickt worden“, sagt Redakteurin Katharina Preuth. „Er ist auf besonders viel Leserinteresse gestoßen und hat eine Diskussion über Propaganda und die Glaubwürdigkeit von Medien ausgelöst.“

Link

Hier geht es zum Podcast von Victoria Graul, der sich mit Desinformation in den Medien befasst und insbesondere an junge Menschen richtet: diggafake.de

Dieser Beitrag erschien zuerst in der drehscheibe 13/2021
Zur Ausgabe

Hier geht's zum Text im „XL Magazin“ (Paywall)

Victoria Graul

ist freie Journalistin und Podcasterin.

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