Presserat

Auch ein Link kann diskriminieren

von

aus drehscheibe 14/2024

Der Fall 

Eine Zeitung berichtet online unter der Überschrift „Neun Vergewaltiger – nur einer muss in den Knast!“ über das Urteil gegen neun Männer wegen der Gruppenvergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens. Die Redaktion erwähnt, dass einer der Verurteilten Iraner ist und acht der neun Angeklagten einen Migrationshintergrund haben. Das Wort „Migrationshintergrund“ wird verlinkt zu einem älteren Artikel über einen Syrer, der vor Gericht zugegeben hatte, zwei Frauen überfallen und eine davon vergewaltigt zu haben. Bereits zuvor sei der Justiz bekannt gewesen, dass der Täter ernsthafte psychische Probleme hatte. Dies sei ein Justizskandal. Eine Person kritisiert gegenüber dem Presserat den Link auf den Bericht über die Vergewaltigung durch einen Syrer. Die Tat habe keinen Bezug zum vorliegenden Artikel. Durch die Verlinkung würden Menschen mit Migrationshintergrund generell als kriminell dargestellt.

Die Redaktion 

Der Verlag sieht keine diskriminierende Verallgemeinerung. Vielmehr werde im Text nur beiläufig erwähnt, dass der Täter Iraner sei. Die Nationalitäten der anderen Angeklagten der Gruppenvergewaltigung würden nicht genannt. Es würde lediglich berichtet, dass acht der neun einen Migrationshintergrund hätten. Die Verlinkung auf einen Artikel, in dem über einen anderen Täter mit Migrationshintergrund berichtet wird, der eine Frau vergewaltigt hat, sei nicht diskriminierend. Beide Artikel thematisierten ein Versagen der Justiz. Die Fälle hätten gemeinsam, dass die Justiz sie entweder hätte verhindern können oder aber der nachträgliche Umgang damit der jeweils schweren Tat nicht angemessen erscheine.

Das Ergebnis 

Der Beschwerdeausschuss erkennt eine Verletzung der Ziffern 1, 2 und 12 des Pressekodex. Die Mitglieder stimmen überein, dass der mit „Migrationshintergrund“ benannte Link, der zu einem weiteren Beitrag über einen Vergewaltigungsprozess führt, einen diskriminierenden Charakter hat. Denn er erweckt den Eindruck, als seien Menschen mit Migrationshintergrund häufig kriminell. Nicht deutlich wird für die Leserschaft, dass mit den beiden Berichten Justizkritik geübt werden sollte und der Link deshalb gesetzt wurde. Neben einem Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex wurde hier zusätzlich Ziffer 2 verletzt, da die Verlinkung mit dem Begriff „Migrationshintergrund“ deplatziert ist. Die missverständliche Linkbezeichnung ist zudem geeignet, das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 Pressekodex in Gefahr zu bringen.

Der Kodex

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instru­ment journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Ziffer 12 – Diskriminierungen

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

 

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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