Aus „Gauleiter“ wird „Gauland“
von Sonja Volkmann-Schluck
aus drehscheibe 08/20
Der Fall
Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Leserbrief, der sich mit Ermittlungen gegen den AfD-Politiker Alexander Gauland beschäftigt. Der Brief beginnt mit der Anrede „Hallo Herr Gauland“. Der Verfasser des Leserbriefs wendet sich an den Presserat. Ursprünglich habe er „Hallo Herr Gauleiter“ statt „Hallo Herr Gauland“ geschrieben. Er spricht von „Zensur“. Zwar habe sich der Chefredakteur bereits bei ihm entschuldigt und eingestanden, dass die Redaktion sich vor der Veröffentlichung sein Einverständnis für die Änderung hätte einholen müssen. Der Leserbrief sei aufgrund eines internen Missverständnisses veröffentlicht worden.
Die Redaktion
Der Chefredakteur verweist auf seine Entschuldigung dafür, dass beim Beschwerdeführer nicht mehr nachgefragt wurde, ob er mit der Veränderung der Anrede von „Gauleiter“ in „Gauland“ einverstanden sei. Die Verfremdung in der direkten Anrede hinein in die Struktur der NSDAP, in Richtung Sprache und Wortwahl der Nationalsozialisten, sei ihm, dem Chefredakteur, zu weit gegangen. Zudem werde regelmäßig auf der Leserbriefseite darauf hingewiesen, dass sich die Redaktion sinnwahrende Kürzungen vorbehalte. Deshalb weist der Chefredakteur die Beschwerde zurück.
Das Ergebnis
Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses erkennt einen Verstoß gegen Ziffer 2, Richtlinie 2.6, Absatz 4 des Pressekodex, wonach Änderungen von Zuschriften ohne Einverständnis des Verfassers grundsätzlich unzulässig sind. Er beurteilt die Änderung von „Gauleiter“ in „Gauland“ aber als geringfügig und verzichtet auf eine Maßnahme, da die Gesamtaussage des Leserbriefs sich damit nur unwesentlich verändert hat. Ins Gewicht fällt auch, dass der Chefredakteur sich bereits beim Beschwerdeführer entschuldigt hat.
Kodex
Ziffer 2 – Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.
Richtlinie 2.6 – Leserbriefe
(4) Änderungen oder Kürzungen von Zuschriften ohne Einverständnis des Verfassers sind grundsätzlich unzulässig. Kürzungen sind jedoch möglich, wenn die Rubrik Leserzuschriften einen regelmäßigen Hinweis enthält, dass sich die Redaktion bei Zuschriften, die für diese Rubrik bestimmt sind, das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehält. Verbietet der Einsender ausdrücklich Änderungen oder Kürzungen, so hat sich die Redaktion, auch wenn sie sich das Recht der Kürzung vorbehalten hat, daran zu halten oder auf den Abdruck zu verzichten.
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