Presserat

Autor für zwei Auftraggeber

von

Der Fall:

Eine Wohnungsbaugenossenschaft investiert in einer Stadt im Verbreitungsgebiet einer Regionalzeitung. Diese berichtet online, dass das Unternehmen weiter kräftig Geld in Energieeffizienz und Wohnwertsteigerung stecke. Im Bericht werden die Aktivitäten der Genossenschaft im Einzelnen beschrieben. Zitat: „Auch die Nutzer der Wohnungen (…) können sich auf Personenaufzüge freuen.“

Eine Leserin der Zeitung wirft der Redaktion daraufhin vor, der Artikel informiere die Öffentlichkeit nicht richtig und sei nicht sorgfältig recherchiert. Der Journalist, der den Beitrag geschrieben habe, sei überdies Autor der Kundenzeitschrift der Genossenschaft. Dies gehe aus dem Impressum hervor. Der Artikel bilde nur die Position der Genossenschaft ab. Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass die geschilderten Wohnungen schlechter als vor den Investitionen seien. Ob nunmehr mehr Energie als vorher gespart werde, sei offen. Der Autor berichte über die Investitionstätigkeit der Genossenschaft, verschweige aber, dass Bewohner aus ihren Wohnungen herausgedrängt worden seien.

Die Redaktion:

Der verantwortliche Redakteur der Regionalzeitung nimmt Stellung und teilt mit, der Autor des beanstandeten Artikels sei nicht Redakteur des Kundenmagazins der Genossenschaft, sondern erhalte als freier Journalist hin und wieder Aufträge des Magazins. Der Autor nimmt ebenfalls Stellung. Sein Hauptaufgabengebiet sei die freie journalistische Tätigkeit für die Regionalzeitung. Im Kundenmagazin der Wohnungsbaugenossenschaft tauche sein Name auf, weil der dort verantwortliche Redakteur ihn bisher bis zu viermal im Jahr gebeten habe, für ein festgelegtes Thema zuzuarbeiten.

Der Beitrag in der Regionalzeitung sei auf seine Initiative entstanden, da er früher viele Jahre in einer der betroffenen Wohnungen gewohnt habe und nun aufmerksam den Einbau von Fahrstühlen beobachte. In einem Gespräch habe der Vorstandsvorsitzende der Wohnungsbaugenossenschaft auf seinen Beitrag im Genossenschaftsjournal zum Thema verwiesen und die Planungen für 2017 bestätigt. Mit dem Bericht im Genossenschaftsjournal habe der Autor selbst aber nichts zu tun.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung einen schweren Verstoß gegen die in Ziffer 6 des Pressekodex festgelegte Trennung von Tätigkeiten. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Üben Journalisten Nebentätigkeiten aus, ist nach Richtlinie 6.1 des Pressekodex auf eine strikte Trennung der Funktionen zu achten.

Das trifft im vorliegenden Fall zu: Dass der freie Mitarbeiter der Zeitung zugleich als Redakteur für eine Wohnungsbaugesellschaft arbeitet, ist ein schwerer Interessenkonflikt. Die Zeitung hätte darauf achten müssen, dass er nicht für die Bearbeitung von Themen im Zusammenhang mit der Genossenschaft eingesetzt wird. Zumindest hätte sie die Leser deutlich auf diesen Interessenkonflikt hinweisen müssen. Beides ist nicht geschehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Beitrag teilweise in werblicher Sprache gehalten ist. Der Presserat kommt zu dem Schluss, dass es sich dabei um einen Kodexverstoß handelt, der die Glaubwürdigkeit der Presse infrage stellt.

Der Kodex:

Ziffer 6 – Trennung von Tätigkeiten

Journalisten und Verleger üben keine Tätigkeiten aus, die die Glaubwürdigkeit der Presse infrage stellen könnten.

Richtlinie 6.1 – Doppelfunktionen

Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.

Vivian Upmann

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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