Presserat

Babylonisches aus dem Gerichtssaal

von

aus drehscheibe 06/19

Der Fall:

Eine Redaktion berichtet in einer Serie über einen Strafprozess. Hierbei schleichen sich diverse Ungenauigkeiten und Fehler ein. So wird etwa berichtet, der Angeklagte stehe wegen „schwerer Körperverletzung“ vor Gericht, mal ist von  „gefährlicher Körperverletzung“ die Rede. Auch das Gericht wird zum Teil als „Schwurgericht“ anstatt „Große Strafkammer“ bezeichnet. Der Anwalt des Angeklagten beschwert sich beim Presserat. Die Artikel enthalten seiner Meinung nach falsche Tatsachenbehauptungen.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur hält die erhobenen Vorwürfe für nicht gerechtfertigt. Der Mandant des Beschwerdeführers sei in den beanstandeten Berichten nicht identifizierbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Gerichtsreporter der Zeitung kein Jurist sei. Daher würden sprachliche Unschärfen mit Blick auf die juristische Terminologie nicht gegen die journalistische Ethik verstoßen, wenn diese – wie im vorliegenden Fall – für das Verständnis der Leserinnen und Leser der Beschwerdegegnerin unerheblich seien.

Das Ergebnis:

Die Zeitung hat Ziffer 2 des Pressekodex (Sorgfalt) verletzt. Der Beschwerdeausschuss spricht einen Hinweis aus. Konkrete Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht sieht der Ausschuss in der Verwendung der Begriffe „schwere“ anstatt „gefährliche Körperverletzung“ sowie „Schwurgericht“ anstatt „Große Strafkammer“. Hierbei handelt es sich um Begrifflichkeiten, welche einem Gerichtsreporter bekannt sein müssen und nicht verwechselt werden dürfen. Zwar ist die Presse laut Richtlinie 13.1 des Pressekodex nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für die Leserschaft unerheblich sind. Bei den hier verwechselten Bezeichnungen handelt es sich aber um Begriffe, mit denen Leserinnen und Leser unterschiedliche Dinge verbinden.

Der Kodex:

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche kenntlich zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

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