Beschwerdeführerin genannt
von Edda Eick
Der Fall:
Unter der Überschrift „Unfug und Sachbeschädigungen“ berichtet eine Lokalzeitung über die Situation auf einem Kinderspielplatz in einem Dorf. Die Redaktion zitiert eine namentlich genannte Anwohnerin, die sich über „Säufer und Ruhestörer“ auf dem Spielplatz empört. Die Frau beschwert sich beim Presserat. Sie habe sich per E-Mail an die Redaktion gewandt, weil sie von den Behörden keine Unterstützung bei ihrem Problem mit den Ruhestörungen und den Verunreinigungen des Spielplatzes erhalten habe. Die Redaktion habe dann aber ohne Rücksprache mit ihr den Artikel mit ihrem vollen Namen veröffentlicht. Aus dem Beitrag könne man auch Rückschlüsse auf ihren Wohnort ziehen. Sie stört sich daran, dass sie in dem Artikel „schlecht weggekommen“ sei.
Die Redaktion:
Der Redaktionsleiter der Zeitung zeigt sich von der Beschwerde überrascht. Er legt den E-Mail-Verkehr vor. Danach hat die Leserin mehrfach gebeten, sich des Problems Kinderspielplatz anzunehmen. Es sei ihr offensichtlich darum gegangen, dass
nicht nur über den Zustand des Spielplatzes berichtet werde, sondern auch über die Untätigkeit der Gemeinde. Wenn ein Leser die Zeitung auffordere, über eine Auseinandersetzung mit der Gemeinde zu berichten, müsse er es sich gefallen lassen, dass sein Name genannt werde. Anonyme Angriffe auf die Gemeinde beziehungsweise ihren Bürgermeister veröffentliche die Redaktion grundsätzlich nicht. Wer Kritik übe, müsse zu ihr stehen. Außerdem habe die Leserin nicht gesagt, dass sie eine Namensveröffentlichung nicht wünsche. Sie werde durch die Veröffentlichung nicht in ein schlechtes Licht gerückt, sagt der Chefredakteur. Die Redaktion habe bewusst davon abgesehen, die teilweise sehr polemischen Äußerungen der Frau zu veröffentlichen.
Das Ergebnis:
Der Presserat stellt Verstöße gegen den Pressekodex fest und spricht eine Missbilligung aus. Es ist presseethisch nicht vertretbar, einen Tippgeber ohne weitere Rücksprache mit Namen zu nennen. Die Redaktion hätte aus Gründen der journalistischen Sorgfalt mit der Leserin Kontakt aufnehmen und mit ihr über den geplanten Artikel und ihre Rolle darin sprechen müssen. Außerdem verletzt die Redaktion den in Ziffer 8 Pressekodex definierten Grundsatz zum Schutz der Persönlichkeit durch Namensnennung. Die Leserin hat in die Nennung ihres Namens nicht ausdrücklich eingewilligt. Aus dem von der Redaktion vorgelegten E-Mail-Verkehr geht nicht hervor, dass sie in der Zeitung namentlich genannt werden möchte. Für die Namensnennung sprechen aus Sicht der Redaktion gute Gründe. Diese machen jedoch eine ausdrückliche Einwilligung aus presseethischer Sicht nicht entbehrlich.
Der Kodex:
Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit
Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
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