Ein Fall für den Presserat

Betreten unlauter

von

Ein Grundstückseigentümer ist zum Ortsgespräch geworden, weil er seinen Besitz vernachlässigt. Bei der Recherche des Themas überschreitet eine Zeitung allerdings eine Grenze.

Der Fall:

Eine Lokalzeitung berichtet unter der Überschrift „Verpflichtet Eigentum wirklich?“ über einen Mann, dem in einem Ort mehrere Häuser, Felder und Grundstücke gehören. Er habe nicht viele Freunde, was daran liege, wie er mit seinem Eigentum umgehe. Die Ortsansässigen würden sich seit Monaten über einen Rohbau ärgern, den er verrotten lasse. Danach werden noch weitere Fälle genannt, in denen es um Grundstücke des Mannes geht. Illustriert wird der Artikel mit einem Bild, auf dem ein verrostetes Auto und gestapelte Holzpaletten vor einem Haus zu sehen sind. In der Bildunterschrift wird dieses als eines der beschriebenen Grundstücke identifiziert. Der Betroffene beschwert sich beim Presserat, da er aufgrund der detaillierten Schilderung der Fälle trotz der Anonymisierung seines Namens erkennbar sei. Darüber hinaus sei für die Erstellung des Fotos das Betreten des Grundstücks notwendig gewesen. Darüber habe es jedoch keine Absprache gegeben.

Die Redaktion:

Der Redaktionsleiter stellt klar, der Zustand der angesprochenen Immobilien und Grundstücke sei Gesprächsthema im Ort und in öffentlichen Ratssitzungen gewesen. Zudem hätten sich mehrere Leser deshalb an die Redaktion gewandt. Im Zuge der Recherchen sei ausführlich mit dem Eigentümer der Grundstücke telefoniert worden, dieser habe bereitwillig Auskunft gegeben. Es liege der Redaktion fern, ihn bloßzustellen. Es sei Ziel des Artikels gewesen, zu klären, inwieweit Eigentum tatsächlich verpflichte. Man bedauere, dass sich der Beschwerdeführer nun verletzt fühle. Die Online-Fassung des Artikels habe man daher entfernt.

Das Ergebnis:

Die Zeitung hat aus Sicht des Presserats gegen den Pressekodex verstoßen – und zwar bei der Erstellung des Fotos. Dieses konnte nur durch Betreten seines Grundstücks anfertigt werden. Das unbefugte Betreten des Grundstücks ist eine unlautere Recherchemethode im Sinne der Ziffer 4 des Pressekodex. Was die Identifizierbarkeit angeht, hat der Presserat jedoch keinen Verstoß festgestellt, da der Beschwerdeführer eine so exponierte Stellung im Ort habe, dass eine wirksam  anonymisierte Berichterstattung gar nicht möglich war, das öffentliche Informationsinteresse in diesem Fall den Schutz der Persönlichkeit des Eigentümers aber überwiege. Da der Artikel mit dem beanstandeten Foto aus dem Online-Portal entfernt worden ist und sich die Redaktion beim Beschwerdeführer entschuldigt hat, verzichtet der Presserat auf eine Maßnahme.

Der Kodex:

Ziffer 4 – Grenzen der Recherche

Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.

Oliver Schlappat

Autor

Oliver Schlappat ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.
Telefon 030 – 36 70 07-13
E-Mail: schlappat@presserat.de

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