Coaching, Reiki und ein Link
von Sonja Volkmann-Schluck
aus drehscheibe 12/2023
Der Fall
Unter der Überschrift „Therapeutin setzt auf Selbstheilungskräfte“ berichtet eine Regionalzeitung online über eine Therapeutin und ihre Praxis. In der Dachzeile ist von einer „neuen Praxis“ die Rede. Die Redaktion stellt deren Angebote von Coaching über Hypnose bis zu Reiki ausführlich vor. Die Therapeutin selbst kommt ebenfalls ausführlich zu Wort. Am Ende des Textes sind ihre Telefonnummer und zwei Links angegeben. Ein Leser beschwert sich beim Presserat, er sieht in dem Beitrag Schleichwerbung. Der Artikel lese sich wie ein Werbetext.
Die Redaktion
Der Chefredakteur der Zeitung weist gegenüber dem Presserat darauf hin, dass es sich um einen redaktionellen Beitrag handele. Der Artikel gehöre zur regelmäßigen Berichterstattung über Neueröffnungen, Existenzgründungen und größere Veränderungen in örtlichen Unternehmen, wie sie in der Lokalberichterstattung durchaus üblich seien. Dass der Beitrag verhältnismäßig unkritisch daherkomme, ändere nichts daran, dass er im Rahmen der Pressefreiheit und im Einklang mit dem Pressekodex so veröffentlicht werden durfte. Im Übrigen entspreche es den digitalen Realitäten im Jahr 2023, die Links zu der Porträtierten zu veröffentlichen.
Das Ergebnis
Der Beschwerdeausschuss sieht eine Verletzung der Ziffer 7 im Pressekodex, die eine klare Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten festlegt. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Die ausführliche Vorstellung des Praxisangebotes der Therapeutin sowie die Veröffentlichung ihrer Kontaktdaten überschreitet die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex. Ohne erkennbaren Grund wird einer Anbieterin die Möglichkeit gegeben, sich selbst und ihre Praxis zu präsentieren. Das ist presseethisch nicht vertretbar.
Der Kodex
Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Veröffentlicht am
Kommentare
Einen Kommentar schreiben