Presserat

Doch nicht der 1. Preis

von

aus drehscheibe 06/20

Der Fall 

Eine Regionalzeitung berichtet über einen Design-Preis für den Neubau einer Sparkasse. Die Redaktion zitiert den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, der sich freut, dass „wir diesen namhaften Preis bekommen haben, der große Anerkennung genießt“. Aus mehr als 5000 Objekten ausgewählt zu werden und den „ersten Preis“ zu bekommen, sei eine Auszeichnung für die Architekten genauso wie für die Handwerker und die Planer, sagt der Vorstandsvorsitzende. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Text als sachlich falsch. Die Sparkasse habe nicht „den ersten Preis“ gewonnen, wie die Zeitung schreibt, sondern lediglich einen von mehreren. Dies habe er in einem Leserbrief an die Redaktion geschrieben, den die Redaktion auch nach mehrfacher Nachfrage nicht veröffentlicht habe.

Die Redaktion 

Der Geschäftsführer des Verlages besteht darauf, dass der Artikel den Sachverhalt korrekt wiedergibt. Eine Wertung des Design-Preises als „ersten Preis“ habe die Redaktion selbst nicht vorgenommen, diese finde sich ausschließlich im Zitat des Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse. Der Beschwerdeführer habe kein Anrecht auf das Erscheinen seiner Beiträge als Leserbriefe.

Das Ergebnis 

Der Presserat erkennt eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Richtigstellung nach Ziffer 3 des Pressekodex. Die Redaktion ist zwar nicht verpflichtet, eingesandte Leserbriefe zu veröffentlichen (siehe Richtlinie 2.6, Absatz 2: „Der Verfasser hat keinen Rechtsanspruch auf Abdruck seiner Zuschrift.“). Die Redaktion unterliegt jedoch der Verbreiterhaftung und hätte spätestens nach dem Hinweis des Beschwerdeführers eine Richtigstellung nach Ziffer 3 des Kodex vornehmen müssen. Im Zitat des Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse war von einem „ersten Preis“ die Rede, doch diesen ersten Preis gab es nicht.

Kodex

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.

Ziffer 3 – Richtigstellung

Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen.

 

Vivian Upmann

Sonja Volkmann-Schluck

ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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