Einfach mal mitgeteilt
von Sonja Volkmann-Schluck
aus drehscheibe 01/2025
Der Fall
Eine Tageszeitung veröffentlicht einen Beitrag über die Erweiterung der Fahrradhauptroute um 1,7 km. Ein bestimmter Ortsteil sei jetzt besser für Radler angeschlossen, heißt es in der Überschrift. Der Bürgermeister wird mehrfach zitiert. Die Route sorge dafür, dass Verkehrsteilnehmer auf zwei Rädern künftig wesentlich sicherer als bisher unterwegs seien. Ein Leser wendet sich an den Presserat. Nach seiner Ansicht handelt es sich um eine eins zu eins wiedergegebene Pressemitteilung (PM) der Stadt, die auf deren Homepage unter einer anderen Überschrift veröffentlicht wurde. Er kritisiert, dass die PM nicht als solche gekennzeichnet wurde.
Die Redaktion
Der Chefredakteur teilt mit, dass die Pressemitteilung der Stadt tatsächlich Grundlage der Berichterstattung gewesen sei. Ein Redakteur, der neu in das Redaktionsteam am Newsdesk gekommen sei, habe sie zur weiteren Bearbeitung von den CvDs weitergeleitet bekommen. Da die Thematik in allen politischen Gremien abschließend behandelt gewesen sei, habe kein Anlass bestanden, noch einmal ausführlich eigene Recherchen anzustellen, zumal man das Thema über Monate aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt habe. Leider habe der Redakteur beim Erstellen des Online-Beitrags nicht darauf geachtet, klarzustellen, dass die Stadt alleinige Quelle dieser Information war. Nach dem Hinweis des Beschwerdeführers habe man dies umgehend geändert und u. a. Formulierungen wie „... in einer Pressemitteilung...“, „... in der Stadtverwaltung…“ und „... heißt es aus dem Rathaus...“ eingebaut. Dies könne der Presserat auch den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten entnehmen. Damit sei aus ihrer Sicht ausreichend dokumentiert, dass die Veröffentlichung auf einer Pressemitteilung basierte.
Das Ergebnis
Der Beschwerdeausschuss erkennt in der Veröffentlichung eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex. Die Mitglieder sind übereinstimmend der Auffassung, dass die Pressemitteilung auch in der überarbeiteten Version nicht ausreichend als solche erkennbar ist. Die Leserschaft könne zu dem Schluss gelangen, dass der Beitrag von der Redaktion stammt. Gemäß Richtlinie 1.3 Pressekodex wäre eine entsprechende klare Kennzeichnung dringend geboten gewesen, da die Leserschaft ohne eine solche über die Urheberschaft der Veröffentlichung getäuscht werde.
Der Kodex
Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.
Richtlinie 1.3 – Pressemitteilungen
Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden.
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