Einsendung als Leserbrief veröffentlicht
von Gastautor
aus drehscheibe 07/2024
Der Fall
Die Zeitung veröffentlicht eine Zuschrift in der Rubrik „Leserbrief“. Darin äußert sich der Verfasser zu einem Kommentar. Der Verfasser wendet sich anschließend an den Presserat. Seine Zuschrift sei ohne seine Zustimmung als Leserbrief veröffentlicht worden. Wer Kontakt mit der Redaktion aufnehmen wolle, finde sowohl im Print- als auch Online-Impressum der Zeitung zwei E-Mail-Adressen: die Adresse redaktion@ und leserbrief@. Angesichts der Adress-Zweiteilung habe er seine E-Mail bewusst an das Postfach der Redaktion geschickt. Umso erstaunter sei er über die Veröffentlichung von Auszügen daraus als Leserbrief gewesen, zumal nicht um seine Einwilligung gebeten worden sei.
Die Redaktion
Die Redaktion bedauert das Missverständnis. Gleichwohl sieht sie keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Brief sei nach dem Wortlaut der Richtlinie 2.6 des Pressekodex als Leserbrief einzustufen. Seine Mail sei nicht etwa an den Verfasser des Kommentars direkt adressiert. Alsdann nehme der Beschwerdeführer Stellung zu dem Kommentar. Form und Inhalt seiner Mail entsprächen einem typischen Leserbrief. Die Adressierung hingegen bringe wenig mehr als den Willen zum Ausdruck, das Schreiben möge an die Redaktion gelangen. Es möge nicht glücklich sein, zwei E-Mail-Adressen für eine Kontaktaufnahme anzubieten. Es gebe aber nun mal Sachverhalte, deretwegen Leser mit der Redaktion in Verbindung treten möchten, zum Beispiel, um Anlässe für eine Berichterstattung mitzuteilen. Solche Schreiben seien erkennbar keine Leserbriefe.
Das Ergebnis
Der Presserat sieht keinen Verstoß gegen Ziffer 2, Richtlinie 2.6, des Pressekodex und weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Aus Form und Inhalt der E-Mail des Beschwerdeführers kann auf einen entsprechenden Willen zur Veröffentlichung als Leserbrief geschlossen werden. Nach Richtlinie 2.6 Abs. 2 ist Voraussetzung, dass die Zuschrift an die Redaktion gerichtet ist. Dies ist auch bei E-Mails, welche an das Postfach redaktion@ gehen, der Fall. Insoweit war die Veröffentlichung als Leserbrief presseethisch nicht zu beanstanden. Der Presserat gibt der Redaktion insoweit den Hinweis, dass es dennoch sinnvoll wäre, bei Zuschriften an redaktion@ noch einmal nachzufragen, ob eine Veröffentlichung als Leserzuschrift erwünscht ist.
Der Kodex
Ziffer 2, Richtlinie 2.6 – Leserbriefe
(1) Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen sind die Publizistischen Grundsätze zu beachten. Es dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt.
(2) Zuschriften an Verlage oder Redaktionen können als Leserbriefe veröffentlicht werden, wenn aus Form und Inhalt erkennbar auf einen solchen Willen des Einsenders geschlossen werden kann. Eine Einwilligung kann unterstellt werden, wenn sich die Zuschrift zu Veröffentlichungen des Blattes oder zu allgemein interessierenden Themen äußert. Der Verfasser hat keinen Rechtsanspruch auf Abdruck seiner Zuschrift.
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