Presserat

Foto von späterem Todesopfer

von

aus drehscheibe 06/2024

Der Fall 

Eine Boulevardzeitung zeigt online das Foto eines jungen Mannes, der bei einem Marathonlauf zusammengebrochen und später gestorben ist. Unter der Überschrift „Einen Kilometer nach diesem Foto ist Felix tot“ veröffentlicht die Redaktion ein vom Veranstalter des Marathons stammendes Bild, auf dem der Mann erschöpft und kurz vor seinem Zusammenbruch zu sehen ist. Eine Leserin sieht einen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit des Todesopfers nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Demnach ist die Identität von Opfern besonders zu schützen und für das Verständnis eines Unglücks unerheblich. Die Leserin kritisiert, die Angehörigen von Felix hätten der Veröffentlichung des Fotos nicht zugestimmt.

Die Redaktion 

Die Rechtsabteilung des Verlags nimmt Stellung. Sie ist der Meinung, dass die Redaktion den Opferschutz gewahrt habe. Im Artikel habe man lediglich den Vornamen des Verstorbenen genannt und Fotos verwendet, die vom Veranstalter des Marathons stammten. Die Fotos zeigten den jungen Mann in einer öffentlichen Situation und während einer Veranstaltung, an der er freiwillig teilgenommen habe. In das Anfertigen von Fotos auf derartigen Massen-Events billigten die Teilnehmer regelmäßig ein. Die Information über den Vorfall stehe zudem im öffentlichen Interesse, da der Marathon ein Ereignis von großer öffentlicher Bedeutung sei. Das unerwartete Ableben eines Teilnehmers stelle eine Angelegenheit dar, über die die Öffentlichkeit informiert werden müsse.

Das Ergebnis 

Der Beschwerdeausschuss erkennt einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex. An der identifizierenden Berichterstattung über den Todesfall beim Münchner Marathon besteht kein öffentliches Interesse. Das gezeigte Foto wurde zwar ursprünglich vom Veranstalter zur Verfügung gestellt. Jedoch hätte die Redaktion im aktuellen nachrichtlichen Kontext die Einwilligung der Angehörigen einholen müssen, da das Bild den Betroffenen kurz vor seinem Tod zeigt.

Der Kodex

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine ­informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem ­Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den (...) Datenschutz.

Richtlinie 8.2 – Opferschutz

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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