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Herkunft nennen oder nicht?

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Der Fall:

„Ungebetener Badegast geht im (…)-Bad auf Bademeister los“, titelt eine Regionalzeitung. Im Bericht geht es um einen 17-Jährigen, der sich gewaltsam Zutritt zu einem Freibad habe verschaffen wollen. Die Zeitung berichtet, der junge Marokkaner habe bereits Tage zuvor Badegäste belästigt. Deshalb sei ihm ein Hausverbot erteilt worden. Weil er nun nicht ins Bad gelassen wurde, geriet er mit dem Bademeister aneinander. Zwei Polizeibeamte, die sich privat im Freibad aufgehalten hätten, seien zu Hilfe gekommen. Der Artikel schließt mit der Passage: „Gerüchteweise soll es Zweifel an den Angaben des mit Hausverbot belegten Festgenommenen geben. Er soll bereits älter und schon unter anderer Identität  aufgetreten sein. Ob er das Bundesamt für Migration hinsichtlich seiner Person getäuscht hat, ist nicht bekannt.“ Ein Leser beschwert sich daraufhin: Hier werde unnötig die Herkunft des jungen Mannes genannt. Diese habe jedoch nichts mit der Tat zu tun.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung zur Beschwerde: Demnach habe die Redaktion den Fall abgewogen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das öffentliche Interesse an einer Erwähnung der Nationalität des Tatverdächtigen größer ist als die Gefahr einer diskriminierenden Verallgemeinerung. Der Fall sei in einer Kleinstadt von großem öffentlichem Interesse. Vor allem auch, weil die Herkunft des Mannes in Teilen der Bevölkerung schon Gesprächsstoff gewesen sei, bevor die Zeitung über den Fall berichtet habe. Ein Verschweigen der Nationalität hätte deshalb bei den Lesern den Eindruck erweckt, dass in der Zeitung eine Vorzensur stattfinde. Der junge Mann sei seit seiner Ankunft im Jahr 2015 zwar immer als Marokkaner, aber unter neun verschiedenen Identitäten aufgetreten. Das öffentliche Interesse sei auch darin begründet,  dass sich der Vorfall im Freibad an zwei Tagen jeweils über Stunden hingezogen habe und für viele Badegäste wahrnehmbar gewesen sei.

 

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss ist der Auffassung, die Zeitung hat damit gegen die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) verstoßen und spricht einen Hinweis aus. Die Nationalität und der Asylstatus des Jugendlichen sind nicht relevant für den
beschriebenen und nicht schwerwiegenden Vorfall. Daher besteht gemäß Richtlinie 12.1 kein hinreichend begründetes öffentliches Interesse an diesen Informationen. Zwar wird berichtet, dass der Jugendliche bereits unter anderer Identität aufgetreten sein soll. Ein Zusammenhang mit dem berichteten Vorgang wird für die Leser jedoch nicht hergestellt. Die Information ist daher nicht geeignet, ein öffentliches Interesse zu begründen.

Der Kodex:

Ziffer 12 – Diskriminierungen

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen
Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden.

Autor

Jens Radulovic ist Referent Beschwerdeausschüsse beim Presserat.

E-Mail: radulovic@presserat.de

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