Presserat

Kinder vorschnell abgebildet

von

Der Fall:

Unter der Überschrift „Nach der Feuerwehrübung brennt es im Kindergarten tatsächlich“ berichtet eine Lokalzeitung über ein Beinahe-Unglück. Was war geschehen? Ein Kindergarten hatte am Vormittag ein Fest gefeiert. Auch die örtliche Feuerwehr war vor Ort und präsentierte sich mit einer Übungsvorführung. Am selben Nachmittag kommt es tatsächlich zu einem Brand im Kindergarten: Ein Grill im Garten fängt Feuer, die Flammen greifen auf das Kindergartengebäude über. Zum Glück können alle Kinder gerettet werden. Die Lokalzeitung berichtet über diesen Vorfall und verwendet dabei auch ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie die Kinder draußen am Sammelpunkt auf ihre Eltern warten. Daraufhin beschwert sich die Mutter eines der auf dem Foto abgebildeten Kinder. Sie kritisiert erstens, dass online bereits über den Brand mitsamt Foto berichtet wurde, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal alle Eltern informiert worden waren. Zweitens sollen weder Erzieher noch Eltern ihr Einverständnis zur Veröffentlichung des Fotos gegeben haben.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur der Zeitung reagiert mit Unverständnis auf die Beschwerde der Frau. Seiner Meinung nach sei die Berichterstattung vollkommen korrekt gewesen und entspräche in allen Punkten den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften
und auch den im Pressekodex festgehaltenen Richtlinien. Autor und Fotograf hätten die Anonymität der Opfer durch die Abbildung der Kinder und Erzieher auf einem Gruppenfoto gewahrt. Da es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte gehandelt habe, sei eine Abbildung des Geschehens außerdem durch das Kunsturhebergesetz gedeckt. Zudem habe die Redaktion nicht unangemessen sensationsheischend über das Ereignis berichtet, sondern die besonderen Umstände einfühlsam und rücksichtsvoll dargestellt.

Das Ergebnis:

Der Presserat stellt Verstöße gegen den Pressekodex fest und spricht einen Hinweis aus. Die relativ milde Bewertung des Verstoßes bezieht ein, dass die Redaktion in mehreren E-Mails auf die Vorwürfe der Beschwerdeführerin einzugehen versucht hat. Der Presserat stimmt dem Hinweis zwar zu, dass ein Brand in einem Kindergarten auf lokaler Ebene ein Ereignis der Zeitgeschichte sein kann – ein Foto der geretteten Kinder und Erzieher ohne Einwilligung abzudrucken, ist jedoch auch in diesem Zusammenhang presseethisch nicht vertretbar. Ein Foto von hinten, auf dem keines der Kinder identifizierbar gewesen wäre, hätte der Presserat nicht für beschwerderelevant gehalten. Von vorn abgebildet handelt es sich hier jedoch um eine presseethische Verletzung der Richtlinie 8.3 des Pressekodex. Auch der Zeitpunkt der Online-Veröffentlichung wird vom Presserat als ungünstig empfunden. Es gehört zwar zu den ureigenen Aufgaben der Presse, schnell und korrekt zu berichten – trotzdem hätte die Redaktion hier abwarten müssen, bis alle Eltern informiert wurden.

Der Kodex:

Ziffer 8 Richtlinie 8.3 – Kinder und
Jugendliche

Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Vivian Upmann

Autorin

Vivian Upmann ist Referentin Beschwerdeausschüsse beim Deutschen Presserat.

E-Mail: upmann@presserat.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.