Presserat

Leichenfund im Regenbogenkiez

von

aus drehscheibe 13/2024

Der Fall 

Eine Boulevardzeitung berichtet online darüber, dass in Berlin die Leiche einer offenbar ermordeten Frau gefunden wurde. Im letzten Satz heißt es, dass der Tatort im Regenbogenkiez im Ortsteil Schöneberg liege, einem Zentrum der Berliner LGBT-Szene. Ein Leser beschwert sich beim Presserat und kritisiert den Hinweis auf die LGBT-Szene. Die Ortsangabe habe mit dem Gegenstand der Berichterstattung nichts zu tun und sei diskriminierend.

Die Redaktion 

Die Zeitung sieht keine Verletzung des Pressekodex, da aus ihrer Sicht durch die Berichterstattung niemand wegen seines Geschlechts diskriminiert wurde. Es sei wahr und allseits bekannt, dass der Berliner Ortsteil Schöneberg ein Zentrum der Berliner LGBT-Szene sei. Es sei auch nicht ungewöhnlich, den Ort einer schweren Straftat mitzuteilen. Hieran bestehe nicht zuletzt deswegen ein öffentliches lnteresse, weil sich der Leser an seinem Wohnort sicher fühlen möchte und weil sich auch die Schöneberger über die Geschehnisse in der Stadt und in ihrem Wohnbezirk näher informieren möchten. Eine Ortsbeschreibung wie hier würde auch an jedem anderen Tatort vorgenommen, etwa durch Formulierungen wie „an der Luxusmeile Kurfürstendamm“ oder „im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli“. Es handele sich in solchen Fällen lediglich um eine wertfreie, informatorische Ortsangabe, die keinerlei Anhaltspunkte dafür biete, diskriminierend zu wirken.

Das Ergebnis 

Die Hälfte der Mitglieder des Beschwerdeausschusses ist der Auffassung, dass die Ortsangabe nichts zum Verständnis des Sachverhalts beiträgt und geeignet ist, die LGBT-Community zu diskriminieren. Die andere Hälfte ist der Ansicht, dass der Hinweis lediglich eine sachliche Beschreibung der Tatort-Umgebung darstellt. Zwei weitere Mitglieder enthalten sich. Somit findet sich keine Mehrheit, um die Beschwerde für begründet zu erklären. Demnach stellt der Ausschuss keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex fest.

Der Kodex

Ziffer 12 – Diskriminierungen

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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