Presserat

Leser warnt vor Spaltung

von

aus drehscheibe 12/2022

Der Fall:

Eine Regionalzeitung berichtet über Symptome nach Corona-Impfungen. In dem Beitrag kommen Medizinerinnen und Mediziner – zumeist aus der Region stammend – zu Wort. Sie berichten, dass es bei ihren Patienten und bei Bekannten zum Teil nach der Impfung zu Symptomen gekommen sei. Es müsse mehr über dieses Thema gesprochen werden, und potenzielle Nebenwirkungen müssten gemeldet und erforscht werden. Bei Menschen mit großer Angst vor der Impfung könnten etwa Placebo-Effekte nicht ausgeschlossen werden. Die Ärztinnen und Ärzte sprechen sich grundsätzlich für eine Corona-Impfung aus, insbesondere bei vulnerablen Gruppen und Personen, die Kontakt zu diesen haben. Eine allgemeine Impfpflicht lasse sich aber aufgrund der aktuellen Daten kaum begründen. Ein Leser sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit), 2 (Sorgfalt) und 14 (Medizin-Berichterstattung). Im Artikel würden anekdotische Ereignisse und Erfahrungen statistischen Erhebungen gegenübergestellt. Das sei sehr unwissenschaftlich und damit bei einem so wichtigen Thema unangebracht, in der gegenwärtigen Situation gar brandgefährlich. Diese Art der Berichterstattung treibe die gesellschaftliche Spaltung nur weiter voran.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur stellt klar, dass der Artikel konkrete und unbestreit-bare Erfahrungen aus Arztpraxen wiedergebe. Die Zeitung mache deutlich, dass die zitierten Ärztinnen und Ärzte für Impfungen seien. Schon damit ließen sie sich nicht in eine Impfgegner-Ecke stellen. Die Redaktion halte es für ihre journalistische Pflicht, alle Fakten zu benennen und nicht Tatsachen „volkspädagogisch“ zu verschweigen. Der Autor des Artikels beziehe sich auf offizielle Quellen und habe tiefgehend und umfangreich recherchiert.

Das Ergebnis:

Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Autor des kritisierten Beitrages hat sorgfältig und umfassend recherchiert. Er hat verschiedene Quellen genutzt, zu denen neben den genannten Ärztinnen und Ärzten auch Fachpublikationen und verschiedene offizielle Stellen gehören. Die Redaktion weist zu Recht darauf hin, dass sich alle in dem Beitrag zitierten Medizinerinnen und Mediziner eindeutig für die Corona-Impfung aussprechen. Insgesamt liegt kein Verstoß gegen presseethische Grundsätze vor, die Beschwerde ist unbegründet.

Der Kodex:

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Ziffer 2 – Sorgfalt

Recherche ist unverzichtbares Instru­ment journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden

Ziffer 14 – Medizin-Berichterstattung

Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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