Presserat

Mehr als homöopathische Dosen

von

aus drehscheibe 14/18

Der Fall:

Eine Frauenzeitschrift berichtet online unter der Überschrift „Entschlüsselt: Warum Homöopathie so gut hilft“ über homöopathische Medizin. Wirkt Homöopathie oder ist sie reine Glaubenssache? Das fragt sich die Redaktion. Dem Artikel zufolge ist dies für 60 Prozent der Deutschen eine überflüssige akademische Diskussion: Denn unabhängig von wissenschaftlichen Studien spürten sie am eigenen Leib, dass die mehr als 200 Jahre alte Homöopathie ihnen helfe. Die Redaktion nennt eine Fülle von Beispielen und Untersuchungen, bei denen es um die angebliche Wirksamkeit der Heilmethode geht. Ein Leser der Zeitschrift bemängelt, dass der Artikel weder als Werbung noch als Anzeige gekennzeichnet ist, obwohl die Redaktion zwei homöopathische Erkältungs- und Heuschnupfenpräparate namentlich nennt. Zudem erwähnt sie eine PR-Initiative eines bestimmten Herstellers. Der Leser kritisiert außerdem, dass der Text den Lesern eine nachgewiesene Wirksamkeit homöopathischer Mittel suggeriert, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht belegt ist.

Die Redaktion:

Die Chefredakteurin der Zeitschrift merkt an, dass der Leser sich bereits an die Redaktion gewandt habe. Da man bei einem so heiklen Thema lieber auf „Nummer sicher“ habe gehen wollen, habe sich die Redaktion zur Löschung des Beitrages entschieden. Insofern sei die Beschwerde bereits gegenstandslos. Wenn die redaktionelle Darstellung zur Homöopathie aus Sicht des Presserats zu positiv ausgefallen sei und der Hinweis auf die Initiative des Herstellers unangemessen gewesen sein sollte, so bedauere man dies. Man sei beim Schreiben des Textes davon ausgegangen, dass es sich um nützliche Informationen für die Leser handele.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss erkennt einen schweren Verstoß gegen das in Ziffer 7 des Pressekodex festgehaltene Gebot zur klaren Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Er spricht eine öffentliche Rüge aus. Vor allem die beispielhafte Nennung von zwei Präparaten eines namentlich genannten Herstellers verletzt die Grenze zur Schleichwerbung. Ein zwingender Grund für die Nennung ist nicht ersichtlich. Kritisch sieht der Beschwerdeausschuss die Vorstellung der PR-Initiative des Präparate-Herstellers, die ohne jegliche journalistische Einordnung und gebotene journalistische Distanz erfolgt. Intensiv diskutiert das Gremium die Frage, ob die Darstellung homöopathischer Mittel außerdem gegen die Regelungen zur Medizin-Berichterstattung nach Ziffer 14 des Pressekodex verstößt. Schließlich verneinen dies die Mitglieder mit einer knappen Mehrheit. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Autor den Lesern ausreichend deutlich mache, dass die Mittel allenfalls zur Therapie-Ergänzung dienen. Unbegründete Hoffnungen werden bei den Lesern also nicht geweckt.

 

Der Kodex:

Richtlinie 7.2. – Schleichwerbung

Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Ziffer 14 – Medizinberichterstattung

Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.

 

Vivian Upmann

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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