Presserat

NS-Vokabular übernommen

von

aus drehscheibe 01/2024

Der Fall 

Eine Regionalzeitung berichtet über eine Frau, die seit Jahrzehnten Feldpostbriefe und Fotos von im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten für einen historischen Verein dokumentiert. Die Redaktion übernimmt im Text Formulierungen wie „Heldentod“ oder „Vaterlandsverteidiger“, ohne sie als Zitat zu kennzeichnen oder sie als NS-Vokabular einzuordnen. Ein Leser sieht in dem Bericht einen Verstoß gegen den Pressekodex. Die Verwendung des Begriffs „Vaterlandsverteidiger“ für deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg verdrehe historische Tatsachen. Der Leser stört sich auch an Ausdrücken wie „Für Volk und Vaterland“ oder „Heldentod“, die im Beitrag nicht in Anführungszeichen gesetzt wurden. Die Redaktion sei nicht bereit gewesen, den Beitrag zu ändern, nachdem er sie darauf aufmerksam gemacht habe.

Die Redaktion 

Die Redaktion räumt ein, dass der Autor des kritisierten Beitrages die Begriffe verwendet habe, um den damaligen Zeitgeist zu verdeutlichen. Er habe damals übliche Formulierungen übernommen, ohne sie in Anführungszeichen zu setzen. Das sei nicht gerade glücklich gewesen. Die Redaktion habe deshalb in der Zeitung einen klärenden Hinweis abgedruckt. Außerdem weist die Redaktion darauf hin, dass es sich hier um alles andere als um Kriegsverherrlichung handele. Ganz im Gegenteil: Immer wieder weise der Artikel darauf hin, welch schreckliches Leid jeder Krieg verursache.

Die Entscheidung 

Die Berichterstattung verletzt das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 des Pressekodex. Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Ausschlaggebend ist die Veröffentlichung nationalsozialistischer und kriegsverherrlichender Formulierungen, ohne dass die Redaktion sich ausreichend von den Inhalten distanziert hätte. Diese Art der Berichterstattung ist mit dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex nicht vereinbar. Der in einer späteren Ausgabe veröffentlichte Hinweis der Redaktion war zu allgemein gehalten und nicht ausreichend in Anbetracht des presseethischen Verstoßes.

Der Kodex

Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

 

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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