Presserat

Parolen falsch wiedergegeben

von Sonja Volkmann-Schluck

aus drehscheibe 02/2025

Der Fall 

„Tausende brüllen: ‚Israel bombardieren!‘“: Unter diesem Titel schreibt eine Boulevardzeitung über eine Großdemonstration gegen die israelische Bombardierung des Gaza-Streifens als Reaktion auf einen Terrorangriff der Hamas. In dem Bericht heißt es: „Als sich die Menschenmenge dann erstmals in Bewegung setzte, brüllten Tausende aus der Menge: ‚Israel bombardieren!‘“ Der Presserat erhält dazu zwei Beschwerden, in denen Verstöße gegen fünf Ziffern des Pressekodex kritisiert werden. Ein Beschwerdeführer bezeichnet es zwar als sehr wichtig, gegen Juden-Hasser zu sein. Aber auch über sie müsse korrekt berichtet werden. Die Redaktion habe im Titel, im Teaser und im Lauftext falsch berichtet, dass Teilnehmer gebrüllt hätten „Israel bombardieren!“. Er selbst sei während der Demo unter den Teilnehmern gewesen und habe diese Forderung nicht gehört. Die Redaktion gerate dadurch in den Verdacht der Volksverhetzung, üblen Nachrede und Verleumdung. In der zweiten Beschwerde schreibt eine Demo-Teilnehmerin, der Ruf sei falsch zitiert und aus dem Kontext gerissen worden. Korrekt habe die Parole gelautet: „Israel bombardiert, Deutschland finanziert“.

Die Redaktion 

Die Zeitung erwidert, dass zwei Reporter den Ausruf „Israel bombardieren!“ genau so gehört hätten. In der Tat hätten Tausende Teilnehmer immer wieder „Israel bombardiert, Deutschland finanziert!“ gerufen. Aber aus einer Gruppe von mehreren Dutzend Pro-Palästinensern sei dann der Ausruf „Israel bombardieren!“ gekommen. Er sei mehrfach zu hören gewesen, aber nicht von der großen Masse geteilt worden. Dass einzelne Beschwerdeführer diesen Ausruf nicht gehört haben wollten, belege nicht, dass es ihn nicht doch gegeben habe. Bei gegensätzlichen Aussagen habe im Zweifel die Pressefreiheit Vorrang. Da die Redaktion sorgfältig berichtet habe, bestehe auch kein Anspruch auf Richtigstellung.

Das Ergebnis 

Der Beschwerdeausschuss beschließt einstimmig eine öffentliche Rüge, denn die Berichterstattung verstößt gegen das Gebot der Wahrhaftigkeit nach Ziffer 1 des Pressekodex. Die Aussage, Tausende hätten „Israel bombardieren“ gerufen, ist eine falsche Tatsachenbehauptung. Laut Polizeimeldung haben lediglich einzelne Teilnehmende Sprechchöre mit strafbaren propalästinensischen Inhalten gerufen und vereinzelt die Parole „Israel bombardiert, Deutschland finanziert“ skandiert. Auch die Zeitung schreibt in ihrer Stellungnahme nur von mehreren Dutzend Demonstrierenden, die „Israel bombardieren“ gerufen hätten. Der Beschwerdeausschuss geht von einer bewusst wahrheitswidrigen Berichterstattung aus. Dieser Verstoß ist als besonders gravierend zu bewerten, da die Falschbehauptung im Titel – und damit an prominenter Stelle – sowie im Text wiedergegeben wird und der Leserschaft einen völlig falschen Eindruck von der Demonstration vermittelt. Der Verstoß gegen das Gebot der Wahrhaftigkeit ist damit geeignet, das Ansehen der Presse zu beschädigen.

Der Kodex

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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