Ein Fall für den Presserat

Schwul, aber nicht pikant

von

Der Fall:

„Schwuler Priester darf nicht mehr predigen“, titelt eine Regionalzeitung. In dem Beitrag geht es um einen homosexuellen Priester, den die katholische Kirche vom Dienst suspendiert hat. Grund hierfür ist eine sogenannte priesterliche Verfehlung. Strafrechtlich relevante Vorwürfe liegen gegen den Mann nach Angaben des Erzbistums allerdings nicht vor. „Pikant“ sei, dass der Mann zum Studentenseelsorger berufen worden und in der Beicht- und Kommunionsvorbereitung von Kindern tätig sei, heißt es in dem Artikel weiter. Der Schwulen- und Lesbenverband schaltet den Presserat ein. Seine Kritik: Die Zeitung arbeitete mit dem Klischee des homosexuellen Triebtäters. Der Verband stößt sich vor allem an dem Adjektiv „pikant“: Dies im Kontext mit seiner Tätigkeit als Seelsorger für Studenten und Kinder transportiere eine homophobe Einstellung. Es entstehe der Eindruck, der Geistliche könne die verantwortungsvolle Funktion missbraucht haben. Hinweise auf eine Verfehlung gebe es aber nicht. Ohne Anlass werde eine Verdächtigung ausgesprochen und Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt. Die Suspendierung beruhe ausschließlich auf einer Einschätzung der deutschen Bischofskonferenz zur Unvereinbarkeit von Homosexualität mit den Loyalitätsobliegenheiten des kirchlichen Dienstes.

Die Redaktion:

Der Autor des Beitrages antwortet. Gemeint gewesen sei, dass es vor dem Hintergrund der Argumentation seitens der Kirche „pikant“ sei, dass sie einen Pastor befördert, obwohl sie gleichzeitig anzweifelt, dass dieser noch für den Dienst der Gemeinde geeignet ist. „Pikant“ beziehe sich nicht auf den Satz mit dem Hinweis auf die Tätigkeit des Mannes. Allerdings könne die Formulierung missgedeutet werden, räumt der Autor ein. Im Eifer des Gefechts sei ihm das zunächst nicht aufgefallen. Daher habe er inzwischen das Gespräch mit dem suspendierten Geistlichen gesucht und sich entschuldigt. Es liege ihm fern, Homosexualität und Pädophilie gleichzusetzen. Der Autor verweist auf die Berichterstattung insgesamt, in der er sich sehr kritisch mit der katholischen Kirche und ihren Positionen auseinandersetze. So lautet die Unterzeile: „Kritiker sprechen von Doppelmoral.“

Das Ergebnis:

Die Zeitung hat gegen die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) verstoßen. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist, dass mit dem Wort „pikant“ ein abwertender Zusammenhang zwischen der Homosexualität des Geistlichen und der Arbeit in der Seelsorge beziehungsweise Beicht- und Kommunionsvorbereitung hergestellt wird. Der Begriff „pikant“, der die Bedeutung von „anstößig“ hat, kann hier diskriminierend wirken. Der Presserat verzichtet aber auf eine Maßnahme. Dafür ist ausschlaggebend, dass die Redaktion den Fehler selbst einräumt. Auch das entschuldigende Gespräch mit dem Betroffenen ist eine angemessene Reaktion.

Der Kodex:

Ziffer 12  –  Diskriminierung

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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