Tod im Video
von Edda Eick
In einem Video auf der Homepage einer Tageszeitung ist zu sehen, wie ein Motorraddieb in Brasilien erschossen wird. Ein Leser sieht den Pressekodex verletzt.
Der Fall:
Eine Tageszeitung beschäftigt sich mit der Sicherheitslage in Brasilien, wo im Sommer die Fußball-WM stattfinden wird. Sie titelt in der Online-Ausgabe: „Schock-Video aus Brasilien – Dieb wird nach dem Überfall erschossen“. Die Redaktion beschreibt in der Berichterstattung einen versuchten Motorradraub, den das Opfer mit seiner Helmkamera aufgenommen hat. Der Motorradfahrer wird mit einer Waffe bedroht und gibt sein Fahrzeug heraus. Ein Zivilpolizist wird Zeuge des Überfalls. Während der Motorraddieb flieht, fallen zwei Schüsse. Zwei Kugeln treffen den Täter. Er stirbt kurze Zeit später. Zum Beitrag gehört ein achtminütiges Video, das den Überfall zeigt. Am Ende ist zu sehen, wie der Motorraddieb erschossen wird. Ein Leser des Internetauftritts hält die Veröffentlichung des Videos für einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex. Es sei zu sehen, wie ein Mensch erschossen werde. Bereits auf der Startseite der Zeitung werde mit der Aussage „Schock- Video“ um Aufmerksamkeit geworben. Das Video sei menschenverachtend.
Die Redaktion:
Der Chefredakteur der Zeitung argumentiert, die Veröffentlichung des Videos sei vom öffentlichen Interesse gedeckt. Das Video werde in der Berichterstattung hinreichend beschrieben und eingeordnet. Im Übrigen enthalte die Filmaufnahme keine explizite Gewaltszene. Sie sei weltweit aufgegriffen und online veröffentlicht worden. Da im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft eine breite Diskussion über die Sicherheitsproblematik in Brasilien geführt werde, sei das Video ein relevantes Dokument. Dieses werfe ein zwar drastisches, aber keineswegs singuläres Schlaglicht auf die Zustände in Brasilien. Das Auswärtige Amt warne zum Beispiel auf seiner Homepage ausdrücklich vor Überfällen und Gewaltverbrechen in Brasilien.
Das Ergebnis:
Die Zeitung hat mit der Veröffentlichung des Gewaltvideos presseethische Grundsätze verletzt. Der Presserat spricht eine Missbilligung aus. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist die Kombination von Ankündigung und Video. Die Ankündigung „Schock-Video aus Brasilien – Dieb wird nach dem Überfall erschossen“ zielt allein auf voyeuristische Bedürfnisse. Sie setzt sich nicht mit der Gewaltproblematik auseinander, um die es der Redaktion im Kern gehe. Der Nutzer bekommt durch die Ankündigung sozusagen das Versprechen, einem Menschen beim Sterben zuschauen zu können. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, wie detailliert die Bilder sind, die den sterbenden Menschen zeigen. Die Grenze zur unangemessenen Darstellung nach Ziffer 11 des Pressekodex ist damit überschritten.
Der Kodex:
Ziffer 11 – Sensationsberichterstattung, Jugendschutz
Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.
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