Ein Fall für den Presserat

Über Minderjährige schreiben

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Der Fall:

Eine Prügelei zwischen zwei Schülern ist Thema in einer Regionalzeitung. Sie berichtet, einer der beiden Schüler sei ein „unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber“ aus dem Irak. Die Redaktion kürzt den Begriff mit „Uma“ ab. Er wohne in einer Betreuungseinrichtung für Schüler aus schwierigem sozialem Milieu. Neun „Umas“ besuchten die Schule, heißt es im Artikel weiter. Mit ihnen gebe es keine Schwierigkeiten. Vorname („Mohammed“) und Alter des irakischen Jugendlichen und die Einrichtungen, in denen er gewohnt hat beziehungsweise wohnt, werden in dem Artikel genannt. Eine Sozialpädagogin, die in einer Jugendeinrichtung beschäftigt ist, wendet sich an den Presserat. Der Artikel verletze das Recht des Minderjährigen auf informationelle Selbstbestimmung. Zu keiner Zeit sei der Schüler oder jemand aus den  jeweiligen Einrichtungen um Zustimmung zur Veröffentlichung der persönlichen Daten gefragt worden. Die Angaben seien de facto der Veröffentlichung der Adresse gleichgekommen. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Diskussion sei aus den Angaben eine reale Gefährdungslage für den Schüler entstanden.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Nach seiner Auffassung sei der Schüler durch den Artikel nicht identifizierbar. Der Name Mohammed sei im arabischen Raum stark verbreitet. Auf die Nennung des Nachnamens habe man
bewusst verzichtet. Die Daten stammten von der Schulleiterin. Da es um die Integration unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber gehe, sei die Herkunft des Jugendlichen von Bedeutung. Der 14-Jährige sei, wie berichtet, ein Ausnahme- und Problemfall. Um nicht alle „Umas“ unter Generalverdacht zu stellen, seien die persönlichen Hintergründe genannt worden. Der Chefredakteur räumt ein, dass die Nennung der Betreuungseinrichtung hätte unterbleiben müssen. Die Beschwerde habe er zum Anlass genommen, um in der Redaktion über den Umgang mit personenbezogenen Daten zu diskutieren und Sensibilität für dieses Thema zu schaffen.

Das Ergebnis:

Die Zeitung hat gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) in Verbindung mit Richtlinie 8.3 (Kinder und Jugendliche) verstoßen. Der Beschwerdeausschuss spricht eine Missbilligung aus. Der betroffene Schüler wird durch die Nennung seines Vornamens und der Einrichtung, in der er untergebracht ist, für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar. Die Nennung der Einrichtung kommt in diesem Fall der Angabe der Adresse gleich. Vor allem bei der Berichterstattung über Minderjährige ist grundsätzliche Voraussetzung, dass ein Sorgeberechtigter die Zustimmung zu einer Veröffentlichung erteilt. Bei Vorliegen eines überragenden öffentlichen Interesses an der identifizierenden Darstellung kann diese Pflicht entfallen. Dieses liegt nicht vor, da es lediglich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Schülern geht.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung.

Ziffer 8.3 – Kinder und Jugendliche

Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Edda Eick

Autorin

Edda Eick ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.
Telefon 030 – 36 70 07-0
E-Mail: eick@presserat.de

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