Presserat

Vergewaltigung und symbolische Hotpants

von

aus drehscheibe 04/23

Der Fall 

Eine Lokalzeitung berichtet über die Fahndung nach dem Vergewaltiger einer Prostituierten. In dem Beitrag verwendet die Redaktion auch ein als solches gekennzeichnetes Symbolbild, auf dem in einem Autorückspiegel der Torso und Po einer Frau in Korsage und Hotpants zu sehen ist. Der restliche Körper ist „abgeschnitten“. Die Beschwerdeführerin kritisiert insbesondere die aus ihrer Sicht plakative und sexistische Bildauswahl. Das Symbolbild zeichne einen klar sexistisch akzentuierten und sogar um den Kopf beschnittenen Frauenkörper, der die Frau als Lustobjekt darstelle. Damit werde der Fokus von Tat und Täter auf die symbolisch unterstellte, aufreizende und kopflos beschnittene Erscheinung des Opfers gravierend verschoben – dies sei „Victim Blaming“. Das Leid der Frau werde benutzt, um in sexistischer Weise Inhalte auf Kosten des Opfers zu generieren.

Die Redaktion 

Die Redaktion hält die Entscheidung, für die Bebilderung des Beitrags ein Symbolbild auszuwählen, für nachvollziehbar. Keinesfalls stehe das verwendete Bild als Symbol für die Vergewaltigung. Ebenso wenig stehe es für Verbrechen an Frauen oder für Verbrechen generell. Das Symbolbild sei wegen des Zusammenhangs der Tat mit dem Milieu der Prostitution verwendet worden. Diese Entscheidung sei mitnichten „effekthascherisch“. Bei einem Symbolbild für das Thema Prostitution sei eine Bezugnahme auf den (meist weiblichen) Körper naheliegend, da die Erbringung sexueller Dienstleistungen unter Einsatz des Körpers geschehe. Schon allein aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen verbiete sich im Übrigen in diesem Zusammenhang die individuelle Erkennbarkeit des abgebildeten Modells und damit auch die Abbildung des Gesichts. Auch der Autor des Beitrags ist der Meinung, dass das Symbolfoto nicht sexistisch sei. Da das Opfer als Prostituierte arbeitet, sei das Symbolbild durchaus angemessen. Dass die Prostituierte in dem Symbolbild vor einem Auto steht, gebe den Inhalt der Polizeimeldung wieder. Das Foto sei außerdem klar als Symbolbild gekennzeichnet.

Das Ergebnis 

Der Presserat erkennt Verstöße gegen die Menschenwürde und das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex und spricht eine Rüge aus. Durch die Konzentration des Fotos auf sexuell konnotierte Körperteile wird die Frau auf dem Symbolfoto bewusst sexualisiert. Indem die Redaktion das Foto in den Zusammenhang mit der Berichterstattung über einen Fahndungsaufruf der Polizei zu einer Vergewaltigung bringt, findet eine Verschiebung der Schuld vom Täter hin zum Opfer statt, und es wird eine Mitschuld des Opfers suggeriert. Diese Art der Darstellung ist geeignet, das Ansehen der Presse zu beschädigen. Durch die Fokussierung des Symbolfotos, das hier für das Opfer steht, auf die sexuell konnotierten Körperteile unter „Abschneidung“ des übrigen Körpers wird zudem das Opfer zum sexuellen Objekt degradiert. Dies verstößt gegen die Menschenwürde der Betroffenen.

Kodex

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.