Ein Fall für den Presserat

Versteckter Name

von

Der Fall:

Unter dem Titel „Markisen können nicht verboten werden“ befasst sich eine Zeitung auf ihrem Internetportal mit dem Streit zwischen einer Wohnungsbaugesellschaft und einer Bewohnerin, die für Schatten auf ihrem Balkon sorgen möchte. Im Artikel kommen beide zu Wort– die Wohnungsbaugesellschaft, die auf fachgerechte Installation besteht, und die Mieterin, die schildert, warum sie den Schatten braucht. Der Name der Frau wird in dem Bericht nicht vollständig genannt, nur ihr Vorname und der Anfangsbuchstabe ihres Nachnamens werden veröffentlicht. Ein Bild zeigt sie auf dem Balkon. Die Mieterin wendet sich nach der Veröffentlichung an den Presserat: Wenn man ihren vollständigen Namen in die Bildersuche einer Suchmaschine eingebe, werde als eines der ersten Ergebnisse stets das Foto aus dem Artikel angezeigt. Sie habe sich zwar damit einverstanden erklärt, dass ein Foto von ihr veröffentlicht werde. Sie habe aber darauf bestanden, dass ihr vollständiger Name nicht genannt werde. Dem habe die Redaktion zugestimmt. Trotz Anonymisierung sei sie jetzt identifizierbar. Die Redaktion habe auch nach mehreren Gesprächen nicht dafür gesorgt, dass dies abgestellt werde.

Die Redaktion:

Die Zeitung vertritt den Standpunkt, dass die Beschwerde an den Presse rat sich nicht gegen die Veröffentlichung selbst richte, sondern gegen ein Suchergebnis bei der Suchmaschine. In dem Bericht sei, genau wie mit dem Redakteur abgesprochen, der Nachname der Frau abgekürzt gewesen. Ein redaktionelles Fehlverhalten liege nicht vor. Weshalb die Fotos in der Suchmaschine unter Eingabe des Namens der Frau auffindbar seien, erschließe sich nicht, gehe aber jedenfalls nicht mit einem Verstoß gegen ethische Grundsätze seitens der Redaktion einher. Einige Zeit später meldet sich die Rechtsabteilung des Verlags beim Presse rat: Es sei im Nachhinein aufgefallen, dass der vollständige Name der auf dem Foto abgebildeten Frau zwar nicht im Artikel oder der Bildunterschrift vorkomme, aber im Dateinamen des veröffentlichten Fotos. Vermutlich sei der Name bei der Verschlagwortung des Bildmaterials im internen Online-Archiv eingegeben worden. Dabei sei wohl außer Acht gelassen worden, dass die interne Beschreibung der Datei nach der Veröffentlichung des Fotos zur Auffindbarkeit des Namens im Internet führen könne. Die Redaktion sei für das Problem sensibilisiert worden. Es habe sich aber um ein bedauerliches Versehen gehandelt, wegen fehlender Absicht sei die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Ergebnis:

Der Presserat ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung in dieser Form gegen Ziffer 8 des Pressekodex verstoßen hat. Diese besagt, dass die Presse das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung achtet. Im vorliegenden Fall hat sich der Autor des Artikels zwar an die Absprache gehalten, den Namen der Mieterin abzukürzen. Bei der Vergabe des Dateinamens für das Foto ist diese Absprache aber nicht eingehalten worden. Zwar ist der Name auf dem Portal nicht sichtbar, aber dennoch als veröffentlicht zu betrachten, da er über den Dateinamen und den Seitenquelltext, der auf den Dateinamen verweist, ermittelbar ist und von Suchmaschinen erfasst wird. So ist es möglich, das Foto mit dem vollen Namen der Frau in Verbindung zu bringen. Dieser Problematik muss sich jede Redaktion, die sich im Online-Bereich betätigt, bewusst sein. Sie muss bei der Verschlagwortung für interne Bildarchive, bei der Vergabe von Bildmetadaten oder der manuellen Vergabe von Dateinamen dafür sorgen, dass schützenswerte Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Der Presserat erteilt aber lediglich einen Hinweis. Dazu hat beigetragen, dass der Artikel im Laufe des Beschwerdeverfahrens offline genommen und die Redaktion für das Problem sensibilisiert worden ist.

Der Kodex:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Oliver Schlappat

Autor

Oliver Schlappat ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.
Telefon 030 – 36 70 07-13
E-Mail: schlappat@presserat.de

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