Presserat

Wenn ein Koch zu viel plaudert

von

aus drehscheibe 03/24

Der Fall 

Eine Lokalzeitung berichtet über die Schließung einer Gaststätte und lässt deren früheren Koch zu Wort kommen. Dieser berichtet auch über seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen und nennt ihre Namen. Anfangs habe er lange mit einem weiteren Koch an den Töpfen gestanden. Doch dieser sei plötzlich gestorben. Der Chef habe dann einen Nachfolger gefunden. Doch schon im Sommer habe der neue Koch wieder gekündigt. Jüngst habe auch noch die langjährige Servicekraft gekündigt. Sie sei in einen anderen Ort gezogen, den der redselige Koch ebenfalls nennt. Der Beitrag enthält auch ein Foto vom Himmelfahrtstag, auf dem neben dem Koch und dem Pächter auch der andere Koch abgebildet ist. Die Bildunterschrift enthält ihre vollständigen Namen. Beschwerdeführer ist der im Beitrag namentlich genannte und auf dem Foto abgebildete zweite Koch. Er sieht sein Persönlichkeits- und Datenschutzrecht verletzt. Er sei im Vorfeld der Veröffentlichung nicht gefragt worden, ob er in diesem Zusammenhang mit vollständigem Namen in der Öffentlichkeit erwähnt werden möchte. Er sei keine Person des öffentlichen Lebens.

Die Redaktion 

In dem Beitrag gehe es übergeordnet um die derzeitige Lage in der Gastronomie, betont die Redaktion. In der Branche sei nach der Corona-Pandemie ein Ballon geplatzt. Die Restaurants hätten über viele Jahre hinweg ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ordentlich bezahlt, sie hätten oft in rechtlichen Grauzonen gearbeitet. Dazu sei immer eine gewisse Ausbeutung der Angestellten gekommen. In der Konsequenz gebe es heute kaum noch Personal, viele ­Restaurants hätten schließen müssen. Im Nachhinein betrachtet wäre es sicher von Vorteil gewesen, wären die Namen des verstorbenen und des gekündigten Kochs sowie mit Abstrichen der Name der Servicekraft nicht genannt worden. Sie bittet bei der Entscheidung aber zu berücksichtigen, dass der Hintergrund der Berichterstattung keine Sensationsinteressen gewesen seien. Der Schwerpunkt habe dabei immer auf dem Gastronomiesterben gelegen, speziell am Beispiel der genannten Lokalität. Der Beitrag sei umgehend geändert worden. In der vorgelegten geänderten Fassung ist das Foto weiterhin enthalten, jedoch ohne Namensnennung. Im Text wurden die Aussagen zu dem Beschwerdeführer und der Name des verstorbenen Kochs entfernt. Die Passage zur Servicekraft ist jedoch unverändert.

Das Ergebnis 

Der Presserat sieht Verstöße gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex und spricht eine Missbilligung aus. Zwar besteht an dem Thema Gaststättensterben an sich ein Informationsinteresse. Dies gilt jedoch nicht für die personenbezogenen Daten (Foto, Name, Kündigung) des Beschwerdeführers sowie des verstorbenen Kochs (Name, Tod) und der Servicekraft (Name, Informationen zu Familie, Kündigungsmotiv). Diese Daten gehen die Öffentlichkeit nichts an. Hier überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen das Informationsinteresse. Diese Daten hätten daher nur mit der vorherigen Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden dürfen.

Der Kodex

Ziffer 8 - Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine ­informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein.

Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

 

Autorin

Kerstin Lange ist Referentin für Recht und Redaktionsdatenschutz beim Deutschen Presserat.

E-Mail: lange@presserat.de

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