Wenn sich Werbung einschleicht
von Ella Wassink
Der Fall:
Eine Regionalzeitung veröffentlicht die redaktionelle Zusammenfassung einer Lesertelefonaktion zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung. In dem Beitrag wird zweimal der Begriff „Existenzschutzversicherung“ verwendet. Nach Auffassung des Beschwerdeführers stellt die Veröffentlichung Schleichwerbung dar. Der Begriff „Existenzschutzversicherung“ bezeichne ein bestimmtes Produkt der Versicherung AXA/DBV. Zudem handele es sich bei der Telefonaktion um ein fertiges Produkt, das der Zeitung kostenlos von einer darauf spezialisierten Agentur zugeliefert worden sei. Zwei der vier im Rahmen der Aktion auftretenden Experten seien Mitarbeiter dieser Versicherung. Auch die beiden anderen – als Verbandsvertreter beziehungsweise Journalist vorgestellt – seien Versicherungsmakler und vermittelten Produkte dieser Versicherung.
Die Redaktion:
Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass der Vorwurf, man habe mit dem Hinweis auf eine Existenzschutzversicherung Schleichwerbung für das Unternehmen gemacht, haltlos sei. Absicht der Telefonaktion sei es gewesen, eine umfassende Information zum Thema Berufsunfähigkeit zu geben. In der folgenden redaktionellen Zusammenfassung fände sich kein Hinweis auf ein Unternehmen. Wie der Beschwerdeführer daher Schleichwerbung für diese Versicherung unterstellen könne, erschließe sich nicht, da der Name nirgendwo genannt werde. Schleichwerbung oder Product-Placement sehe anders aus. Zudem sei auf der Online-Plattform der Zeitung eine Diskussion über die angebliche Schleichwerbung geführt worden.
Das Ergebnis:
Der Beschwerdeausschuss erkennt in der redaktionellen Zusammenfassung der Lesertelefonaktion eine Verletzung der Ziffer 7 und der klaren Trennung von Redaktion und Werbung, da offenbar die vollständige Berichterstattung – sowohl der vom Beschwerdeführer vorgelegte Beitrag als auch die Lesertelefonaktion – kostenlos von einer PR-Agentur zugeliefert worden sei. Gleichzeitig wurde in dem Text zwei Mal ein konkreter Produktbegriff genannt, der ausschließlich von dieser Versicherung verwendet werde. Dadurch wurden mit dieser Aktion deren Werbeinteressen transportiert. Die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung sei überschritten. Der Ausschuss weist insbesondere auf den letzten Absatz der Richtlinie 7.2 hin. Die Redaktion ist gefordert, vor Veröffentlichung genauestens zu prüfen, ob tatsächlich ein unabhängiges journalistisches Produkt vorliegt oder ob wirtschaftliche Interessen transportiert werden. Solche Interessen erkannte der Beschwerdeausschuss durch den Hinweis auf die Existenzschutzversicherung als auch die Tatsache, dass die Teilnehmer der Telefonaktion Mitarbeiter und Vertreter der Versicherung waren. Er spricht eine Missbilligung aus.
Der Kodex:
Ziffer 7 – Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
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