Bilderverbot untersagt
von Oliver Stegmann
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im März 2012 in einer vielbeachteten Entscheidung die Pressefreiheit gestärkt und ein Urteil des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) bestätigt. Der zugrundeliegende Fall war folgender: Im März 2007 wurde ein mutmaßliches Mitglied einer russischen Mafiaorganisation mit einem Zivilfahrzeug eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei (SEK) zu einer Arztpraxis in der Fußgängerzone von Schwäbisch Hall gebracht. Zwei SEK-Beamte begleiteten den Patienten in die Praxis, die übrigen sechs Beamten in Zivil sicherten die Szene. Alle Beamten waren bewaffnet. Dies fiel zwei Journalisten auf, die zufällig in der Nähe waren. Die beiden wandten sich an den Einsatzleiter und fragten nach dem Grund des Einsatzes.
Als der Fotoreporter Fotos vom Geschehen machen wollte, forderte ihn der Einsatzleiter auf, dies zu unterlassen. Zusätzlich drohte der Beamte an, die Kamera und Speicherkarte andernfalls zu beschlagnahmen. Der Fotograf respektierte das Verbot, und die Zeitung berichtete am nächsten Tag ohne Bilder über das Geschehen.
Der Verlag hielt das Fotografierverbot und die Beschlagnahmeandrohung dennoch für unzulässig. Er klagte vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Feststellung, dass die Maßnahmen rechtswidrig waren, scheiterte allerdings zunächst mit seiner Klage. Die Berufung gegen die Entscheidung vor dem VGH war indes erfolgreich (siehe drehscheibe-Ausgabe 12/2010) und auch vor dem Bundesverwaltungsgericht bekam der Verlag nun Recht. Mit welcher Begründung?
Für die Entscheidung waren zwei entgegenstehende Interessen abzuwägen: einerseits das Rechtsgut der „öffentlichen Sicherheit“, andererseits das der Pressefreiheit. Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz der gesamten Rechtsordnung, insbesondere des Lebens, der Gesundheit, der Freiheit, der Ehre und des Vermögens sowie das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen insgesamt. Die öffentliche Sicherheit sah das Bundesverwaltungsgericht ebenso wie die Vorinstanzen durch die Tatsache gefährdet, dass der Einsatz fotografiert werden sollte. Denn dadurch hätte der Polizeieinsatz gefährdet und die Beamten enttarnt werden können. Auch das Recht der SEK-Beamten am eigenen Bild sah das Bericht als potenziell gefährdet an.
Dennoch sei das Fotografierverbot nicht gerechtfertigt gewesen, weil keine konkrete Gefahr für diese schützenswerten Rechtsgüter bestanden habe und die Aufforderung des Einsatzleiters unverhältnismäßig gewesen sei. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts habe das absolute Verbot die Pressefreiheit nicht ausreichend berücksichtigt. Die bloße Möglichkeit einer Verbreitung der Fotos müsse nicht notwendig auf der ersten Stufe abgewehrt werden, also durch ein präventives Verbot, sondern könne auch auf der zweiten Stufe erfolgen, beispielsweise durch „eine Verständigung über Ob und Wie der Veröffentlichung“ zwischen Polizei und Verlag, urteilte das Gericht.
Eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit könne jedenfalls nicht auf die Erwägung gestützt werden, dass trotz des Fotografierverbots ja immer noch ohne Bilder berichtet werden könne. Denn dadurch würde die Polizei faktisch Einfluss nehmen auf die Form der Berichterstattung, und das sei unzulässig. Es sei daher in einem solchen Fall in der Regel nicht verhältnismäßig, die durch den Journalisten beabsichtigten Fotografien ganz zu verhindern. Stattdessen könnten Vorkehrungen getroffen werden für den Fall, dass Fotos unzulässigerweise veröffentlicht würden.
Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass das Bundesverwaltungsgericht den Beteiligten recht deutlich mit auf den Weg gab, dass es eine Verständigung über das Ob und das Wie der Berichterstattung einem Fotografierverbot und dem sich anschließenden fast vier Jahre dauernden Rechtsstreit vorgezogen hätte.
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