Persönlichkeitsrecht

Brisante E-Mails zugespielt

von

Brisante Beute: Im Jahr 2009 wurde der private Laptop des damaligen Brandenburger Innenministers Rainer Speer gestohlen. Auf dem Laptop waren auch private E-Mails von Speer und seiner ehemaligen Geliebten gespeichert, die der Bild-Zeitung zugespielt wurden. Daraus ging hervor, dass Speer mit der Frau eine Tochter hatte. Speer zahlte aber keinen Unterhalt für das Kind. Stattdessen erhielt die Frau vom Staat Unterhaltsvorschüsse. Den Namen des Vaters des Kindes nannte die Mutter gegenüber den Behörden nicht, so dass sich der Staat die Leistungen von Speer nicht zurückholen konnte. Im September 2010 veröffentlichte die Bild-Zeitung unter Namensnennung Speers den Vorgang. Letztlich führte dies zum Rücktritt des Innenministers.

Speer ging gegen die Veröffentlichung von Bild vor und hatte sowohl vor dem Landgericht (LG) Berlin als auch vor dem Kammergericht Erfolg damit. Dem Landgericht zufolge konnte Speer bis zum Rücktritt verlangen, dass die Öffentlichkeit nicht erfährt, ob er Vater des Kindes ist, private und intime Kontakte zur Mutter des Kindes hatte und die Mutter zu Unrecht Unterhaltsvorschuss in Anspruch genommen hatte. Das Gericht hielt es ebenso für unzulässig, aus den E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu zitieren. Das Berufungsgericht schloss sich dieser Auffassung an – der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings nicht.

Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 490/12) sah zwar eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Speers. Dieses schützt das Vertrauen und das Interesse des Einzelnen daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Die Vertraulichkeitssphäre Speers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei durch die ungenehmigte Veröffentlichung der Informationen beeinträchtigt worden. Allerdings war diese Beeinträchtigung laut des Bundesgerichtshofs nicht rechtswidrig, sondern in diesem Fall ausnahmsweise erlaubt.

Gegen das Interesse Speers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts stand das Recht der Bild-Zeitung, die Öffentlichkeit über den Vorgang zu informieren und dazu eine freie Meinung zu äußern. Dieses Interesse der Medien bewertete der Bundesgerichtshof klar als wichtiger als das Interesse Speers. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Informationen auf dem Laptop gespeichert waren, den man Speer gestohlen hatte. Entscheidend war, dass die Bild-Zeitung die Informationen nicht selbst gestohlen hatte, sondern sie ihr zugespielt worden seien. Zwar habe die Zeitung Nutzen aus dem Bruch der Vertraulichkeitssphäre Speers gezogen, das sei aber unschädlich.

Zu diesem Ergebnis kam der Bundesgerichtshof auch deshalb, weil die Informationen auf dem Laptop einen hohen Wert für die Öffentlichkeit hätten. Durch die Publikation sei ein Missstand von „erheblichem Gewicht“ offenbart worden, und die Öffentlichkeit habe ein überragendes Interesse an dessen Aufdeckung. Entscheidend dafür war, dass Speer als Minister und Landtagsabgeordneter eine Person von besonderem Interesse war, die sich in der Demokratie Transparenz und Kontrolle stellen müsse. Die veröffentlichten E-Mails belegten, dass sich der Minister über viele Jahre hinweg seiner wirtschaftlichen Verantwortung entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt habe. Im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse habe er hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen bezogen habe, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren.

Auch wenn der Fall Speer auf überregionaler Ebene angesiedelt ist, kann diese Entscheidung auf die Lokalberichterstattung übertragen werden. Auch Lokalgrößen müssen sich, wenn sie ein öffentliches Amt ausüben, dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit stellen. Dazu gehört, dass die Medien mögliche Missstände transparent machen und dabei unter Umständen auch in die geschützte Sphäre der Betroffenen eingreifen. Bei einer Beeinträchtigung persönlicher Interessen der Betroffenen ist dann im Rahmen einer Abwägung zu prüfen, ob das Interesse wirklich so groß und berechtigt ist. In keinem Fall dürfen Journalisten während der Recherche selbst Straftaten begehen.

Oliver Stegmann

Autor

Dr. Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und zu einem presserechtlichen Thema promoviert.

Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-Mail: o.stegmann@esche.de
Internet: www.esche.de

Veröffentlicht am

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Kommentieren

Bei den mit Sternchen (*) markierten Feldern handelt es sich um Pflichtfelder.