Presserecht

Die müssen draußen bleiben

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aus drehscheibe 10/19

Die Stadt Burgstädt hielt am 27. Januar 2016 eine Einwohnerversammlung ab. Dort sollten die Einwohner vom Bürgermeister über die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen informiert werden. Für die Versammlung erstellte der Bürgermeister ein „Sicherheitskonzept“. Teil dessen war es, Pressevertretern den Zugang zu der Versammlung zu untersagen. Wenige Tage zuvor war anonym gefordert worden, keine Medien zuzulassen, da diese nur Unwahrheiten verbreiteten und „rechtschaffende Bürger“ beleidigten. Der Veranstaltungsraum bot Platz für 350 Personen – anwesend waren 320 und einige Personen, die sich im hinteren Teil des Raumes aufhielten und sich trotz Aufforderung weigerten, die leeren Plätze einzunehmen. Der Ton wurde auf das Außengelände übertragen.

Die Freie Presse berichtete über die bevorstehende Einwohnerversammlung und das Verbot. Versuche der Zeitung, doch Zugang zur Versammlung zu bekommen, scheiterten. Also musste eine Redakteurin der Versammlung per Lautsprecher zuhören. Nach Auffassung der Zeitung war das aber keine ausreichende Grundlage für eine objektive Berichterstattung. Einen Eindruck der Stimmung unter den Anwesenden habe die Redakteurin nicht gewinnen können. Etwaige Zwischenrufe oder Stimmungsbilder seien mangels eines Saalmikrofons nicht übertragen worden. Auf der Pressekonferenz am Folgetag erklärte der Bürgermeister, dass er die Presse auch künftig von Einwohnerversammlungen ausschließen werde.

In Anbetracht dessen klagte die Freie Presse vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz. Das Gericht setzte sich sehr ausführlich mit dem Fall auseinander. Der Ausschluss der Presse habe die Zeitung in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit verletzt. Der für Einwohnerversammlungen einschlägige Paragraf 22 der Sächsischen Gemeindeordnung enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung, welche Personen an einer Einwohnerversammlung teilnehmen können. Die Gemeinde Burgstädt habe allerdings die Pflicht, den Interessen der Presse auf ungehinderten Zugang Rechnung zu tragen. Ein Ausschluss Dritter, also auch der Presse, von einer Einwohnerversammlung sei nur möglich, wenn andernfalls nicht alle Einwohner an der Versammlung teilnehmen könnten. Da bei der Versammlung jedoch nicht alle Sitzplätze belegt gewesen seien, sei das generelle Verbot rechtswidrig gewesen.

Das sah das Oberverwaltungsgericht Bautzen anders. Vertreter der Presse hätten keinen Anspruch auf Zugang zu der Versammlung. Eine Einwohnerversammlung sei keine allgemein zugängliche Informationsquelle im Sinne von Artikel 5 des Grundgesetzes. Wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung in Paragraf 22 der Gemeindeordnung, dass Einwohnerversammlungen öffentlich seien, sei davon auszugehen, dass Einwohner einen Anspruch darauf hätten, auch allgemein bedeutsame Gemeindeangelegenheiten ohne Dritte erörtern zu können.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts engt den Begriff der Informationsfreiheit stark ein. Das Gericht lässt außer Acht, dass auf Einwohnerversammlungen Vorschläge und Anregungen gemacht werden können, die laut Sächsischer Gemeindeordnung anschließend von den zuständigen Organen der Gemeinde zu behandeln sind. Zwar hat die Einwohnerversammlung im Gegensatz zur Gemeinderatssitzung eine bloße Kommunikations- und Anstoßfunktion; es ist jedoch gerade Aufgabe der Presse, über diese Entwicklungen zu informieren und so etwa nachfolgende Gemeinderatsbeschlüsse nachvollzieh- und kontrollierbar zu machen. Außerdem hat das Oberverwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass die in Einwohnerversammlungen erörterten Angelegenheiten eben nicht ausschließlich Sache der Einwohner sind, sondern auch Personen außerhalb der Gemeinde betreffen können.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die Entscheidung kann daher nur noch mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden. Es ist sehr zu hoffen, dass die Freie Presse diese Möglichkeit nutzt, um das Urteil korrigieren zu lassen.

 

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.

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