Presserecht

Ein Problembär vor dem Kadi

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Das Satiremagazin Titanic hat im Oktober 2017 eine Fotomontage getwittert. Darauf zu sehen: ein Fadenkreuz über einem Foto von Sebastian Kurz, damals österreichischer Außenminister. Die Überschrift lautete: „Endlich möglich: Baby-Hitler töten!“ Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen die verantwortlichen Redakteure. Im Raum steht eine Strafbarkeit wegen des Aufrufs zur Begehung einer Straftat und wegen Beleidigung.

Vermutlich hätte die Staatsanwaltschaft mit der Ankündigung, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, Titanic keinen größeren Gefallen tun können. Verfügt das Satiremagazin doch über einschlägige Erfahrung auf diesem Gebiet. Im Juli 2006 etwa machte das Blatt mit einem Titelbild von Kurt Beck Schlagzeilen, das mit der Überschrift versehen war: „Problembär außer Rand und Band – Knallt die Bestie ab!“ Beck erwirkte gegen Titanic per einstweiliger Verfügung ein Verbot vor dem Landgericht Hamburg.

Satire und Karikatur sind besondere Formen, seine Meinung zu äußern. Beide stehen daher unter dem Schutz von Artikel 5, Absatz 1, Satz 1 Grundgesetz (GG). Im Interesse der Meinungsfreiheit müssen Satire und Karikatur von den Gerichten besonders wohlwollend beurteilt werden, weil beide Formen bewusst ein spöttisches oder verzerrtes Bild der Wirklichkeit vermitteln. Sie übertreiben für gewöhnlich den Gedanken, den sie zum Ausdruck bringen möchten. Satire darf also noch „frecher“ sein als reine Meinungsäußerung. Hinzu kommt, dass die Satire und Karikatur neben wesenseigenen Merkmalen – also Verfremdung, Verzerrung, Übertreibung – zusätzlich den Schutz der Kunstfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes genießen können. Voraussetzung ist allerdings, dass der Satire oder Karikatur eine gewisse schöpferische Leistung oder Gestaltung anhaftet, dass es sich also um „Kunst“ im Sinne des Grundgesetzes handelt. Für Tageszeitungen ist es in der Regel schwierig bis unmöglich, sich vor Gericht neben dem Grundrecht der Meinungsfreiheit auch auf das der Kunstfreiheit zu berufen. Das gilt insbesondere für Textberichterstattung, weniger für Karikaturen.

Die Fälle „Kurz“ und „Problembär“ machen deutlich, dass die Freiheit für Satire und Karikatur nicht grenzenlos ist. Wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache im Vordergrund steht, sondern die Äußerung in erster Linie verletzend ist oder vor allem herabwürdigen soll, dann ist die Grenze des Zulässigen überschritten. Das Grundgesetz schützt nämlich auch das Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen. Dazu gehören etwa der Ruf, das Ansehen und das Recht auf körperliche Unversehrtheit und natürlich die Achtung der Menschenwürde.

Wenn – wie im Fall „Problembär“ – ein Mensch als „Bestie“ bezeichnet und dazu aufgefordert wird, ihn „abzuknallen“, geht Satire zu weit. Bei dem Verbot des Landgerichts Hamburg dürfte der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass bei der Titelseite mit Beck kein sachlicher Anknüpfungspunkt zwischen dem Politiker und dem „Problembären“ erkennbar war. Dass viele Leser den Titel wohl als „Spaß“ interpretiert haben dürften, war für die Entscheidung nicht ausschlaggebend.

Ob im Fall Kurz die Fotomontage als rechtswidrig angesehen werden wird, ist offen. Die Grundaussage ist vergleichbar mit der im Fall „Problembär“. Allerdings ist der rechtliche Maßstab ein anderer. Gegenstand des „Problembär“-Falls war der zivilrechtliche Anspruch von Kurt Beck auf Unterlassung. Im Fall Kurz geht es um eine mögliche Strafbarkeit der verantwortlichen Redakteure wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten oder Beleidigung. Entscheidend wird bei der Prüfung der Staatsanwaltschaft auch der Kontext sein, in dem die Aussage von Titanic stand. Überschrieben war der Tweet mit: „Österreicher/innen, abonniert Titanic.“ Und links unten war als Eckenbrüller der Text hinzugefügt: „Zeitreise in Österreich“. Das relativiert die Aussage der Titanic etwas. Wenn die Staatsanwaltschaft die Fotomontage dennoch insgesamt so versteht, dass dadurch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit von Sebastian Kurz infrage gestellt wird, dann wäre die Grenze des Zulässigen überschritten.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
Internet: www.esche.de

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