Geschäftsführer überrumpelt
von Gastautor
Was tun, wenn die Hauptperson einer Geschichte sich für einen kritischen Artikel nicht fotografieren lässt? Und das Archiv gibt nichts her? Ohne Bild veröffentlichen? Nicht unbedingt. Das Landgericht Hamburg hat einer Rundfunkanstalt recht gegeben, deren Filmteam einen Geschäftsführer des Unternehmens kik überrascht und so Filmmaterial von ihm gewonnen hat. Der Textilhersteller hatte zuvor mehrere Interviewanfragen abgelehnt. Der Geschäftsführer wollte sich nicht zu den massiven Vorwürfen über sittenwidrige Niedriglöhne, Druck auf die Angestellten und schlechte Arbeitsbedingungen äußern. Um den Beitrag zu bebildern, fing das Filmteam ihn dann in einer Hotellobby auf dem Weg zu einem öffentlichen Termin ab, um ihn direkt mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Die so gewonnenen Bilder wurden ausgestrahlt. Das Landgericht Hamburg hat entschieden: Das war rechtmäßig.
Das ist nicht selbstverständlich: Grundsätzlich muss jeder mit der Veröffentlichung seines Bildnisses im Zusammenhang mit der konkreten Berichterstattung einverstanden sein. Eine Ausnahme gilt nur in Fällen, in denen das öffentliche Interesse an der Berichterstattung so schwer wiegt, dass das Schutzinteresse des Abgebildeten zurückstehen muss.
Hier ging es um ein großes Unternehmen, dem vorgeworfen wurde, nicht einmal die Mindeststandards des Arbeitsschutzes einzuhalten. Dies, so das Gericht, sei ein Thema, das die Öffentlichkeit erheblich beschäftige. Es bestehe auch ein Interesse daran, den Geschäftsführer im Bild zu zeigen, da er das Unternehmen repräsentiere und daher in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorwürfen stehe.
Diesem öffentlichen Interesse stehe kein ebenso gewichtiges Schutzinteresse des Geschäftsführers gegenüber. Zwar handele es sich nicht um Bildnisse, die mit dem Thema zusammenhingen. Allerdings habe sich die Redaktion nachhaltig darum bemüht, Bildmaterial im Zusammenhang mit dem Thema zu erhalten. Deshalb sei die Überrumpelungssituation weniger belastend. Der Geschäftsführer werde nicht herabsetzend oder abträglich dargestellt. Er konnte außerdem nicht beweisen, dass er dem Filmteam nicht ausweichen konnte.
Schließlich betraf das Bildmaterial auch nicht die Intim- oder Privatsphäre des Geschäftsführers. Ist die Privatsphäre betroffen, muss das öffentliche Interesse ganz besonders schwer wiegen, um eine Veröffentlichung zu rechtfertigen. Das hatte der Bundesgerichtshof etwa angenommen, als Fotos von Heide Simonis beim Einkaufen am Tage ihres Rücktritts verbreitet wurden. Der BGH nahm nämlich an, Frau Simonis sei nicht erheblich durch die Reporter belästigt worden. Denn sie bleibe trotz des Amtsverlustes eine bedeutende Politikerin und ihr Verhalten müsse auch nach einem Misserfolg Gegenstand öffentlicher Diskussion sein. Sie habe sich als Politikerin mehr gefallen zu lassen als sonstige Personen des öffentlichen Lebens. Das ist allerdings längere Zeit nach dem Rücktritt anders zu beurteilen.
Wann ein solches öffentliches Interesse nicht mehr vorliegt, zeigt ein ähnlicher Fall: Eine Zeitschrift hatte Bilder von Sabine Christiansen, ebenfalls beim Shopping, veröffentlicht. Die begleitende Berichterstattung befasste sich unter der Überschrift „Was jetzt los ist auf Mallorca“ ausschließlich mit Aktivitäten von Prominenten. Das hielt der BGH für rechtswidrig. Denn: Eine solche Berichterstattung dient allein der Befriedigung von Unterhaltungsinteressen „bestimmter Leser“. Das könne aber den Eingriff in das Recht am eigenen Bild von Frau Christiansen nicht aufwiegen.
Fazit: In Ausnahmefällen können auch „Abschüsse“ rechtmäßig sein. Hier ist allerdings große Vorsicht geboten. Entscheidend ist stets, dass ein besonders großes Interesse an der Veröffentlichung besteht. Es empfiehlt sich auch, zunächst um einen Interviewtermin zu bitten. Die Betroffenen dürfen keiner erheblichen Belästigung ausgesetzt sein, sie dürfen nicht in intimen Momenten oder in erniedrigender, besonders herabsetzender Weise gezeigt werden.
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