Fotojournalismus

Hausverbote vor Gericht

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Man stelle sich vor: An einem großen deutschen Bahnhof oder Flughafen findet eine Demonstration statt. Die Demonstranten schicken sich an, in die Bahnhofs- oder Abflughalle zu marschieren. Bildjournalisten, die das von innen dokumentieren wollen, werden von dem Betreiber des Bahnhofs oder Flughafens am Betreten gehindert. Begründung: Laut Benutzungsordnung dulde man das Fotografieren aus Gründen des reibungslosen Betriebsablaufs und der Sicherheit grundsätzlich nicht. Es wird ein Hausverbot gegen die Bildjournalisten ausgesprochen und angedroht, wer dagegen verstoße und die Räumlichkeit „unberechtigt“ betrete, der werde wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Ein undenkbares Szenario? Nicht ganz.

Im März 2003 verteilten sechs Personen einer Initiative, die sich gegen die Abschiebung von Ausländern unter Mitwirkung privater Fluggesellschaften wendet, an einem Abfertigungsschalter im Frankfurter Flughafen Flugblätter. Der Betreiber des Flughafens, die Fraport AG, sprach daraufhin ein „Flughafenverbot“, also ein Hausverbot, aus und drohte bei Verstoß dagegen einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs an. Eine davon Betroffene klagte vor den Zivilgerichten gegen dieses Verbot, blieb aber in allen Instanzen erfolglos. Gegen das letztinstanzliche Urteil erhob sie eine sogenannte Urteils-Verfassungsbeschwerde, und diese war erfolgreich.Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verletzten die Entscheidungen der Instanzgerichte die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an die Ausgangsinstanz zurückverwiesen (Urteil vom 22. Februar 2011, Aktenzeichen 1 BvR 699/06).

Entscheidend war zunächst, dass das BVerfG die Fraport AG als unmittelbar an die Grundrechte gebunden sah. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass Fraport als zivilrechtliche Aktiengesellschaft firmiert. Vielmehr sei das Unternehmen von der öffentlichen Hand beherrscht, und dies habe zur Folge, dass Fraport unmittelbar an die Grundrechte gebunden sei. Das ist ein althergebrachter Grundsatz, der auch bewirkt, dass sich privatwirtschaftlich organisierte Firmen in öffentlicher Hand nicht der Auskunftsverpflichtung nach den Landespressegesetzen entziehen können.

Einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit sah das BVerfG als gegeben, weil das durch Fraport ausgesprochene Verbot unverhältnismäßig gewesen sei. Der Wunsch, eine „Wohlfühlatmosphäre“ in einer auf Konsum ausgerichteten Welt zu schaffen, die von politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleibe, sei kein legitimer Zweck zur Einschränkung der Meinungsfreiheit. Ebenso ausgeschlossen seien Verbote, die den Zweck hätten, bestimmte Meinungsäußerungen zu unterbinden, weil sie vom Flughafenbetreiber nicht geteilt, inhaltlich missbilligt oder wegen kritischer Aussagen gegenüber dem betreffenden Unternehmen als geschäftsschädigend beurteilt würden. Hingegen seien Einschränkungen aufgrund funktionaler Gesichtspunkte möglich, die jedoch im Einzelfall verhältnismäßig sein müssten, zum Beispiel zur Verhinderung von Störungen oder aus Sicherheitsgründen. Ob es am Flughafen solche Gründe für das Hausverbot gab, muss nun die Ausgangsinstanz entscheiden.

Welche Konsequenzen können der Entscheidung des BVerfG für das eingangs geschilderte Beispiel entnommen werden? Zunächst bleibt ein Hausverbot auch für öffentlich frei zugängliche Bereiche grundsätzlich möglich. Allerdings muss es aus Gründen ausgesprochen werden, die gegenüber der Meinungs- und Pressefreiheit überwiegen, zum Beispiel wenn sonst die Sicherheit des Reiseverkehrs gefährdet wäre. In der Bahnhofshalle ist so etwas schwer vorstellbar, anders mag die Situation an Bahnsteigen sein. Auf jeden Fall sollte ein ausgesprochenes Hausverbot respektiert werden, da ansonsten strafrechtliche Konsequenzen drohen. Es bleibt dem Journalisten dann nichts anderes übrig, als das Verbot nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen – mit guten Erfolgsaussichten.

Oliver Stegmann

Autor

Dr. Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Frankfurt zugelassen und arbeitet als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind das Presse- und Urheberrecht sowie das Recht der Neuen Medien. Seine Promotion befasst sich mit der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil in der deutschen und französischen Presse.

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