Presserecht

Live aus dem Gerichtssaal

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Im Oktober 2017 wurde das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) verkündet, das eine Lockerung des strikten Verbots von Ton- und Videoaufnahmen im Rahmen von Gerichtsverhandlungen vorsieht. Die betreffenden Regelungen treten am 18. April 2018 in Kraft. Gleichwohl bleibt eine derart detaillierte Fernsehberichterstattung über Gerichtsverfahren, wie es in den USA beispielsweise bei dem Prozess über O. J. Simpson der Fall war, in Deutschland auch in Zukunft undenkbar.

Gerichtsverhandlungen in Deutschland sind grundsätzlich öffentlich. Entsprechend ist der Öffentlichkeit und damit auch Pressevertretern der Zutritt zu den Verhandlungsräumen zu gestatten. Die Anfertigung von Ton- und Videoaufnahmen von Gerichtsverfahren zum Zwecke der Veröffentlichung sowie die Tonübertragung in Arbeitsräume von Medienvertretern war dagegen seit 1964 verboten. Eine Ausnahme bestand lediglich für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

Dieses strikte Verbot war im Rahmen zweier Strafverfahren zu einem Streitpunkt geworden, den das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hatte. 1995 sah der Sender NTV in dem Verbot der Anfertigung von Aufnahmen über die Verhandlung im Politbüro-Prozess eine Verletzung des Presserechts. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Verbot für gerechtfertigt. Zu Beginn des NSU-Prozesses 2013 machten Medienvertreter geltend, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens aufgrund der faktisch begrenzten Größe des Verhandlungssaals und des Verbots von Tonübertragungen nicht gewährleistet sei. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass zumindest einer angemessenen Zahl von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern Zutritt gewährt werden müsse.

Das Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit legt die Entscheidung über die Ausübung des Verbots nun in die Hände der Richter. So kann das Gericht die Tonuübertragung in Arbeitsräume von Medienvertretern zulassen. Gleiches gilt für die Rundfunk- und Fernsehuübertragung der Verkündung von Entscheidungen bei Verfahren vor dem Bundesgerichtshof. Daneben wird bei Verfahren von herausragender zeitgeschichlicher Bedeutung die Anfertigung von Tonaufnahmen zum Zwecke der Archivierung ermöglicht. Voraussetzung für eine Genehmigung ist jedoch, dass schutzwürdige Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens durch die konkrete Maßnahme nicht beeinträchtigt werden.

Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass das Informationsrecht der Öffentlichkeit bei entgegenstehenden berechtigten Interessen einzuschränken ist. Danach kann das Gericht die Öffentlichkeit von Verhandlungen ausschließen oder gar – wie das Verwaltungsgericht Freiburg im März 2017 – ein Hausverbot gegen einzelne Pressevertreter verhängen. Der betroffene Journalist hatte vor dem Sprechzimmer eines Gerichtsvollziehers im Gerichtsgebäude gewartet und gezielt mutmaßliche Vollstreckungsschuldner, die das Sprechzimmer verließen, angesprochen. Dabei gab er sich als Journalist zu erkennen und überreichte den Besuchern Fragebögen zu konkreten Vollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers gegen den betreffenden Besucher. Das Gericht sah darin eine Verletzung der Privatsphäre der Angesprochenen, zu der auch die Vermögensverhältnisse gehören. Durch das Hausverbot sollten vom Pressevertreter angekündigte weitere Befragungen und die damit verbundenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen verhindert werden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg billigte die Anordnung und wies die Beschwerde des Pressevertreters mit Beschluss vom 17. Mai 2017 zurück.

Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte bei der Ausübung ihrer neuen Befugnisse entsprechende Maßstäbe anwenden und Tonübertragungen bzw. Ton- und Videoaufnahmen zum Zwecke der Veröffentlichung nach sorgfältiger Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen im Ergebnis nur eingeschränkt zulassen werden.

Anke Wilhelm

Autorin

Anke Wilhelm ist selbstständige Anwältin. Darüber hinaus ist sie Legal Counsel in der Rechtsabteilung von Tom Tailor und befasst sich dort überwiegend mit Marken und Designs.
Telefon: 0160 – 774 62 07
E-Mail: anke.wilhelm@gmx.net

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