Panoramafreiheit

Moschee im Bild

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Eine Moschee soll zur Illustration eines Textes fotografiert werden. Von der Straße aus ist sie nur schwer ins Bild zu bekommen, und die Perspektive ist langweilig. Darf man das Grundstück betreten und im Hof auf den Auslöser drücken? Ist es erlaubt, auf einen Baum zu klettern und von dort aus mit einer viel besseren Sicht zu fotografieren? Für die Beantwortung dieser Fragen hilft ein Blick ins Urheberrechtsgesetz. Darin ist unter Paragraf 59 geregelt, dass „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film“ öffentlich wiedergegeben werden dürfen. Die Vorschrift enthält außerdem eine Regelung für Bauwerke, die präzisiert, dass dies nur für „die äußere Ansicht“ gilt. Das ist die sogenannte Panoramafreiheit.

Um die Vorschrift dieses Paragrafen verstehen zu können, muss man wissen, dass das Urheberrechtsgesetz die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Zustimmung des Urhebers in der Regel nicht gestattet. Die Fotografie eines Werkes ist eine solche Vervielfältigung im Sinne des Gesetzes. Die Panoramafreiheit schränkt diese Rechte des Urhebers ein. Darüber hinaus strahlt Paragraf 59 in die allgemeine Rechtsordnung aus und bildet so einen Rahmen dafür, was beim Fotografieren von öffentlich zugänglichen Werken, also auch von Gebäuden wie etwa Moscheen, erlaubt ist.

Die Reichweite der Panoramafreiheit ist durch viele Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) präzisiert worden, die zu regelrechten Klassikern geworden sind: Die „Friesenhaus“- und die „Hundertwasserhaus“-Entscheidung gehören etwa dazu. Hinzugekommen ist kürzlich die „Kussmund“-Entscheidung. Gegenstand dieses Urteils war die Frage, ob der auf dem Bug der Aida-Kreuzfahrtschiffe aufgemalte Kussmund ein Werk im Sinne des Paragrafs 59 ist, das sich „bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen“ befindet. Da sich ein Kreuzfahrtschiff bewegt und sich immer nur kurz an einem Ort befindet, ist die Frage, ob ein auf dem Schiff aufgemaltes Werk „bleibend“ ist. Der BGH bejahte diese Frage, weil er das Merkmal nicht so versteht, dass sich das Objekt, auf dem sich das Werk befindet, selbst unverrückbar an einem Ort befinden muss, sondern so, dass das Werk permanent verkörpert sein muss. „Bleibend“ hat also eine zeitliche und keine örtliche Komponente. Anders hatten die Gerichte das etwa bei dem von Christo verhüllten Reichstag gesehen. Die Verhüllung des Gebäudes sahen die Richter als ein vergängliches Werk an, weil das Konzept des Künstlers ja gerade darin besteht, dass seine Werke vergänglich und zeitlich begrenzt sind.

Die Frage der Vergänglichkeit stellt sich bei einer Moschee natürlich nicht. Die eingangs aufgeworfenen Fragen betreffen vielmehr die Merkmale, was „öffentliche Wege, Straßen oder Plätze“ sind. Ist ein Foto an einem solchen Ort entstanden, wenn der Fotograf ein Grundstück betritt oder für das Foto auf einen Baum klettert – oder etwa eine Drohne nutzt?

Die Antwort lautet bezogen auf das Baum- oder das Drohnen-Beispiel klar nein. Sobald sich der Fotograf irgendwelcher Hilfsmittel bedient, um die sich von öffentlichen Wegen oder Plätzen bietende Perspektive zu verändern, greift die Panoramafreiheit nicht mehr. Das gilt auch, wenn das Foto aus dem Treppenhaus des Nachbarhauses gemacht wird.

Wenn der Fotograf das Grundstück betritt, auf dem die Moschee liegt, und sie von dort aus fotografiert, ist das Merkmal des öffentlichen Wegs ebenfalls nicht mehr erfüllt. In diesem Fall benötigt der Fotograf die Zustimmung des Eigentümers. Wenn dieser nicht einverstanden ist, muss der Fotograf es respektieren. Andernfalls riskiert er eine Strafbarkeit, etwa wegen Hausfriedensbruchs.

Sofern sich Menschen auf dem Foto befinden, müssen auch die Vorschriften der Paragrafen 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes berücksichtigt werden. Ohne Einwilligung der auf dem Foto erkennbaren Personen dürfen Fotografien nur dann verbreitet werden, wenn sie ein zeitgeschichtliches Ereignis dokumentieren oder wenn die Personen neben dem Gebäude lediglich sogenanntes Beiwerk sind.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
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