Namen, Bilder, Konfusion
von Oliver Stegmann
Diese Frage stellt sich in Redaktionen täglich: Wann dürfen Namen von Personen genannt und ihre Fotos gezeigt werden? Das Oberlandesgericht Frankfurt hat eine neue Entscheidung gefällt.
„Pick-up-Artists sind Männer, die Gefühle und Liebe vorspielen, um mit so vielen Frauen wie möglich Sex zu haben. Ein Artikel in einer Zeitschrift, die der Allgemeine Student/innen-Ausschuss (AStA) der Goethe-Universität Frankfurt am Main herausbrachte, beschäftigte sich mit diesem Phänomen. Dabei wurde ein Student als ein solcher Aufreißer mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt und ein Foto von ihm gezeigt. Nach Erscheinen des Artikels sah sich der Student Anfeindungen ausgesetzt. Er verlangte vom AStA, die Verbreitung des Beitrags zu unterlassen, und bekam vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Recht.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass eine Identifizierung in diesem Fall nur dann erlaubt gewesen wäre, wenn gerade der Name oder die Identität des Betroffenen „einen eigenen Informationswert besessen und überdies gerade hieran ein öffentliches Informationsinteresse bestanden hätte. Sofern die
Berichterstattung nichts von ihrer Bedeutung einbüße, wenn die daran beteiligte Person anonym bliebe, sei eine Identifizierung der Person in der Berichterstattung unzulässig.
Diese Begründung des Oberlandesgerichts ist allerdings fragwürdig und findet in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze. Sie wird vor allen Dingen dem entschiedenen Fall nicht gerecht, weil der Pick-up-Artist selbst mit seiner „Kunst“ zuvor recht offen umgegangen war. Er erschien nämlich auf der Internetseite einer Coaching-Agentur, die für das „Geheimnis erfolgreicher Verführer“ warb, mit Foto und Vornamen. Damit nicht genug: 15 Monate vor Erscheinen des beanstandeten Artikels hatte der Aufreißer der ARD für einen TV-Beitrag über seine „Kunst“ ein fünfminütiges Interview gegeben. Darin wurde ebenfalls sein Vorname genannt. Der Beitrag war zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts noch abrufbar. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob in der Berichterstattung Namen genannt oder Bilder gezeigt werden dürfen, ist immer eine Interessenabwägung. Der Anspruch des Betroffenen auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechts wird dem Interesse der Öffentlichkeit gegenübergestellt, Genaueres über ihn zu erfahren, zum Beispiel seinen Vornamen. Dabei kommt es darauf an, welche Sphäre des Persönlichkeitsrechts durch die Berichterstattung berührt wird: die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre. Das Persönlichkeitsrecht schützt insbesondere vor Beeinträchtigungen der Privat- und Intimsphäre. Eine Textberichterstattung, die – wie im vorliegenden Fall – die Sozialsphäre betrifft und zutreffend ist, muss grundsätzlich hingenommen werden. Daher bedarf eine Wortberichterstattung grundsätzlich keiner besonderen Rechtfertigung. Anders ist die Rechtslage bei der Bildberichterstattung. Die Veröffentlichung von Fotos einer Person ohne deren Einwilligung ist nur dann zulässig, wenn sie sich auf ein zeitgeschichtliches Ereignis bezieht.
Kaum nachvollziehbar ist an der Entscheidung des Gerichts, dass es als Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Text- und Bildberichterstattung die Beantwortung der Frage heranzieht, ob die Berichterstattung auch ohne Namensnennung oder Nutzung eines Fotos möglich gewesen wäre. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bundesgerichtshof haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden kann, dass auch eine anonymisierte Berichterstattung möglich gewesen wäre. Die Pressefreiheit umfasst nämlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob Namen genannt werden und ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird.
Wie sollten Redaktionen mit der Frankfurter Entscheidung umgehen? Nicht einschüchtern lassen! Wenn eine Meldung die Sozialsphäre einer Person betrifft und der Name der Person aus Sicht der Redaktion dazugehört, sollte er genannt werden.
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