Presserecht

Wann Namen genannt werden dürfen

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aus drehscheibe 06/19

Der Wochenzeitung Kontext waren private Facebook-Chatprotokolle zugespielt worden, deren Verfasser angeblich ein Mitarbeiter zweier Abgeordneter der AfD im baden-württembergischen Landtag war. Die Chats dokumentierten eine über vier Jahre andauernde Korrespondenz mit Mitarbeitern bekannter AfD-Politiker, NPD-Funktionären und Mitgliedern extrem rechter Studentenverbindungen. Die Beiträge zeugten von einer menschenverachtenden, rassistischen und demokratiefeindlichen Haltung des Mitarbeiters.

Kontext veröffentlichte im Mai 2018 unter der Überschrift „Sieg Heil mit Smiley“ einen Beitrag über den beruflichen und politischen Werdegang des Mitarbeiters. Die Zeitung nannte auch dessen Namen und erwähnte, er sei früher Mitglied der NDP gewesen. Gegen diese Berichterstattung wehrte sich der Betroffene und erwirkte vor dem Landgericht Mannheim eine einstweilige Verfügung, die Teile der Berichterstattung verbot. Gestützt war der Antrag auf Erlass des Verbots auf unterschiedliche Aspekte. Zum einen behauptete der Mitarbeiter, die Zitate aus den Chatprotokollen stammten gar nicht von ihm, sondern seien nachträglich hineinmanipuliert worden. Außerdem seien die Chatprotokolle widerrechtlich „geleakt“ worden. Überdies sei es nicht zulässig, seinen Namen zu nennen und seine angebliche frühere Mitgliedschaft bei der NPD zu erwähnen. Kontext legte gegen die Entscheidung Rechtsmittel ein – und hatte vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Erfolg.

Die Entscheidung, ob eine identifizierende Berichterstattung zulässig ist, muss immer im Einzelfall getroffen werden. Wird der Name einer Person genannt, dann betrifft dies deren Persönlichkeitsrecht: Jeder hat im Grundsatz ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Anonymität gewahrt wird. Andererseits gibt es selbstverständlich Fälle, in denen die Öffentlichkeit auch ein großes Interesse daran hat, die Identität einer Person zu erfahren. Wenn das Interesse der Öffentlichkeit schwerer wiegt als das des Betroffenen, dürfen Namen genannt werden.

Das Oberlandesgericht nahm an, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit von Kontext das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Anonymität überwog. Denn die Diskussion um rechtsextreme Tendenzen im Umfeld der AfD leiste einen Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Außerdem habe der Mitarbeiter seine Behauptung nicht glaubhaft machen können, Kontext selbst stecke hinter dem „Leak“ oder habe diesen in Auftrag gegeben. Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass die Chatprotokolle authentisch und nicht manipuliert gewesen seien. Es sei wahrscheinlich, dass der Betroffene sich so geäußert habe und früher NPD-Mitglied gewesen sei, weil er das selbst gegenüber seinen Chatpartnern angegeben hatte.

Namen dürfen also genannt werden, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Das ist zum Beispiel bei Schwerkriminalität der Fall oder wenn es um Themen geht, die die Öffentlichkeit besonders berühren. Orientierungspunkte sind das öffentliche Interesse an einer Person, etwa an einem Politiker. Die Namen von Personen aus der „zweiten Reihe“ können aber ebenfalls genannt werden, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – aus ihrer Stellung und Funktion ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit begründen lässt. Eben weil Politiker der AfD immer wieder im Verdacht stehen, sich nicht ausreichend von rechtsextremen Bestrebungen in ihrem Umfeld zu distanzieren, ist in Fällen wie hier wichtig, Personen, die den Politikern zuarbeiten, genauer unter die Lupe zu nehmen und Verdachtsmomente zu benennen, auch wenn dazu Namen genannt werden müssen.

Gegen eine Nennung des Namens spricht, wenn die Identität einer Person keine besondere Rolle für die Nachricht spielt. Dann sollte der Betroffene anonym bleiben. Aber auch die Angabe von Alter, Herkunft, Parteizugehörigkeit, Wohnort oder Beruf kann einer namentlichen Erwähnung gleichzusetzen sein, wenn der Betroffene dadurch erkennbar wird. Dabei reicht es, wenn einige Leser die Person aufgrund dieser Angaben identifizieren können.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.

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