Presserecht

Wenn Rechte kollidieren

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Der Verwaltungsgerichtshof München hatte bereits im vergangenen Jahr über einen brisanten Fall zu entscheiden: Ein Pressefotograf wollte den späteren Kläger auf dem Gelände eines Schlosses fotografieren. Damit war dieser nicht einverstanden. Deshalb forderte der Kläger dort anwesende Polizeibeamte auf, gegen den Pressefotografen einzuschreiten – sprich zu verhindern, dass er ihn fotografiert. Die Polizisten lehnten das aber ab, weil sie davon ausgingen, dass sich der Pressefotograf „rechtstreu“ verhalten werde. Das akzeptierte der Kläger nicht und wollte von den Verwaltungsgerichten festgestellt wissen, dass die Polizisten hätten tätig werden müssen. Zwei Instanzen sahen das anders und wiesen die Klage ab. Mit welcher Begründung?

Man muss bei dem Fall zwischen zwei Stufen unterscheiden: dem Anfertigen der Fotografie und der sich möglicherweise  anschließenden Verbreitung dieser Fotografie. Das Anfertigen von Fotografien beeinträchtigt „lediglich“ das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Grundsätzlich muss sich niemand gegen seinen erklärten Willen fotografieren lassen, aber ob das Fotografieren tatsächlich rechtswidrig ist, entscheidet sich erst im Rahmen einer Abwägung der betroffenen Interessen. Der Pressefotograf kann sich auf die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit berufen, der Fotografierte auf sein Persönlichkeitsrecht, das ebenfalls Verfassungsrang hat. Ein Fotografierverbot auf der ersten Stufe beeinträchtigt die Pressefreiheit irreversibel. Daher bestehen sehr hohe Hürden für ein Verbot bereits auf dieser Stufe, auch wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht wie die Pressefreiheit durch das Grundgesetz geschützt ist.

Ob und in welcher Form auf der zweiten Stufe das Verbreiten eines Fotos zulässig ist, bestimmt sich nach dem Kunsturhebergesetz (KUG). Danach muss die fotografierte Person grundsätzlich damit einverstanden sein, dass ihr Foto verbreitet wird. Ausnahmen gelten aber dann, wenn das Foto Zeitgeschehen dokumentiert oder wenn die Person lediglich „Beiwerk“ neben einer Landschaft oder einer „sonstigen Örtlichkeit“ ist, wie es im KUG heißt. In diesen Fällen ist es nicht erforderlich, dass die Person in die Verbreitung einwilligt – es sei denn, durch das Verbreiten des Fotos werden „berechtigte Interessen“ der fotografierten Person tangiert. Letzteres dürfte im redaktionellen Alltag aber eher die Ausnahme sein. Keine Einwilligung der fotografierten Person ist natürlich auch dann erforderlich, wenn das Foto so verpixelt wird, dass die Person nicht erkennbar ist. In diesem Fall handelt es sich nach dem Verständnis des KUG schon gar nicht um das Bildnis einer Person.

In dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall kam das Gericht zu dem Schluss, dass in der Aufnahmesituation keine konkrete „Gefahr“ gegeben war. Eine solche „Gefahr“ wäre aber Voraussetzung für ein Tätigwerden der Polizeibeamten gewesen. Sie hätte nur dann bejaht werden können, wenn es tragfähige Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass eine (ungepixelte) Verbreitung des Fotos mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Bei der Beurteilung dieser Frage ist die Sicht der Polizeibeamten in der jeweiligen Situation entscheidend, keine Ex-post-Betrachtung. Anhaltspunkte für diese „Gefahr“ hätten in dem Fall möglicherweise dann bestanden, wenn der Pressefotograf zu erkennen gegeben hätte, dass schon jetzt feststeht, dass das Foto vom Kläger auch tatsächlich veröffentlicht wird. Wenn der Fotograf im Gespräch mit den Polizisten hingegen zu erkennen gegeben hätte, dass die Publikation des Fotos die eigenständige Entscheidung der Redaktion sei (was regelmäßig der Fall sein dürfte), dann hätte dies eben gegen eine konkrete „Gefahr“ gesprochen.

Wird ein Foto einer Person verbreitet, obwohl das gemäß dem KUG nicht zulässig war, stellt das eine Straftat dar (Paragraf 33 KUG). Das sollte man sich bewusst machen, zumal sich die Fälle häufen, in denen es deswegen zu Strafverfahren kommt.

Oliver Stegmann

Autor

Oliver Stegmann ist als Rechtsanwalt in Hamburg zugelassen und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau. Zuvor hat er unter anderem als Justiziar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet und hat zu einem presserechtlichen Thema promoviert.
Telefon: 040 – 36 80 51 40
E-mail: o.stegmann@esche.de
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