Recht am eigenen Bild

Zeitgeschichte am Tresen

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Der Fluch des BER: Am 12. Januar 2013 musste sich der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, wegen der Probleme mit dem geplanten Berliner Großflughafen einem Misstrauensvotum im Abgeordnetenhaus stellen. Anlässlich dieses Ereignisses veröffentlichte die Bild-Zeitung in der Berliner Ausgabe drei Fotografien, die Wowereit am Vorabend der Abstimmung mit Freunden bei einem Besuch eines bekannten Prominenten-Treffs in Berlin zeigten. Die Bilder standen unter der Überschrift: „Vor der Misstrauensabstimmung ging’s in die Paris-Bar ...“. Der Bildtext lautete auszugsweise: „Der Regierende wirkt am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt (...) und genehmigt sich einen Drink in der Paris-Bar.“ Auf derselben Seite befand sich zudem ein Bericht über Wowereits politischen Werdegang mit dem Titel „Vom Partybürgermeister zum Bruchpiloten“, der seinen „Absturz in 11,5 Jahren“ beschrieb.

Wowereit verklagte die Bild-Zeitung anschließend auf Unterlassung dieser vermeintlich unzulässigen Bildberichterstattung. Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht gaben ihm recht.

Anderer Ansicht war nun aber der Bundesgerichtshof in seiner zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch unveröffentlichten Entscheidung vom 27. September 2016. Er wies Wowereits Klage ab und erklärte die angegriffene Bildberichterstattung für zulässig.

Grundsätzlich hat jeder Mensch ein Recht am eigenen Bild und kann selbst bestimmen, ob und wie Abbildungen seiner Person veröffentlicht oder verbreitet werden. In Ausnahmefällen aber dürfen Bildnisse auch ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht und verbreitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie dem Bereich der Zeitgeschichte angehören und keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzen. Im Rahm en der vorzunehmenden Abwägung des Presserechts mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten ist insbesondere zu berücksichtigen, aus welchem Bereich das Bild stammt. Während eine Bildberichterstattung über Situationen der Öffentlichkeits- und Sozialsphäre grundsätzlich zulässig ist, stehen ihr im Bereich der Privat- und Intimsphäre regelmäßig die überwiegenden Interessen des Betroffenen entgegen.

Der Bundesgerichtshof führte nun aus, dass es sich bei einem Barbesuch mit Freunden zwar an sich um eine private Situation handele. Vorliegend sei der Besuch jedoch am Vorabend eines bedeutenden politischen Ereignisses erfolgt, aufgrund dessen an der Person des abgebildeten Wowereit ein erhöhtes Informationsinteresse der Allgemeinheit bestanden habe. Zudem sei die betreffende Bar dafür bekannt, regelmäßig von prominenten Personen besucht zu werden. Wowereit habe daher nicht davon ausgehen können, bei dieser Unternehmung den Blicken der Öffentlichkeit und der Presse entzogen zu sein.

Schließlich sei die Bildberichterstattung auch im direkten Kontext mit der Berichterstattung über die politische Karriere des „Partybürgermeisters“ erfolgt, der selbst den Vorabend des möglichen Endes seiner politischen Laufbahn entspannt „bei einem Drink“ verbringt. Im Ergebnis stellte der Bundesgerichtshof daher ein überwiegendes Informationsinteresse der Allgemeinheit fest und gab der Pressefreiheit den Vorzug vor Wowereits Persönlichkeitsrechten.

Gleichwohl ist bei der Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen aus dem Bereich der Privatsphäre weiterhin generell Vorsicht angebracht. Eine solche Bildberichterstattung ist in der Regel wegen des entgegenstehenden berechtigten Interesses des Betroffenen unzulässig. Nur bei einem in Ausnahmefällen bestehenden direkten Zusammenhang mit einem bedeutenden zeitgeschichtlichen Ereignis können unter Umständen die Informationsinteressen der Allgemeinheit überwiegen.

Anke Wilhelm

Autorin

Anke Wilhelm ist selbstständige Anwältin. Darüber hinaus ist sie Legal Counsel in der Rechtsabteilung von Tom Tailor und befasst sich dort überwiegend mit Marken und Designs.
Telefon: 0160 – 774 62 07
E-Mail: anke.wilhelm@gmx.net

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