Dem Rechtsextremismus auf der Spur
von Gastautor
Alles Nazis in Brandenburg? Nein, natürlich nicht. Aber wie der gesamte Osten der Bundesrepublik haben Brandenburg und die sächsische Lausitz ein enormes rechtes bis rechtsextremes Potenzial, das nicht erst seit den Wahlerfolgen der AfD und in Form von Demonstrationen rechtsextremer Gruppen offenbar wurde. Die Volontärinnen und Volontäre der Märkischen Oderzeitung und der Lausitzer Rundschau haben sich gemeinsam mit den Ausbildungsredakteurinnen und -redakteuren Anfang 2022 auf die Suche nach einem Thema für ein Jahres-Volo-Projekt gemacht. Dabei fiel die Wahl nach Absprache innerhalb der Redaktion und Abwägung der Themenvorschläge hinsichtlich Leser-Relevanz, Machbarkeit und unserer bereits bestehenden digitalen Zielgruppen auf das Thema Rechtsextremismus.
Die Planung
Für uns war klar: Dieses gesellschaftlich so wichtige Projekt müssen wir ganzheitlicher angehen als manch andere Serie. So erstellten wir, bevor es überhaupt an die Recherche zu den ersten Beiträgen ging, einen Jahresplan. Wir haben uns abgesprochen, wie häufig die Texte erscheinen sollen, auf welchen Kanälen sie wie ausgespielt werden und darauf geachtet, möglichst viele Aspekte des Themas aufzugreifen. Für fundiertes Hintergrundwissen haben wir Expertinnen und Experten aus den eigenen Reihen und außerhalb des Medienhauses zu Rate gezogen. Die einzelnen Themenvorschläge wurden von Volontärinnen und Volontären ausgearbeitet, gemeinschaftlich diskutiert und der jeweilige Stand der Umsetzung in einem gemeinsamen Dokument festgehalten.
Die Umsetzung
Den Auftakt bildete ein Input zu rechtsextremen Menschen in Brandenburg und deren Verbindungen untereinander. Volontär Manuel Wozniak veranschaulichte mit einem Vortrag und einem zugehörigen umfangreichen Dossier die verschiedenen Erscheinungsbilder des Rechtsextremismus in Brandenburg. Simone Wendler, die mehrere Jahrzehnte zu diesem Thema bei der Lausitzer Rundschau berichtet hat, hat den Volontärinnen und Volontären zudem in einer Gesprächsrunde Hinweise zur investigativen Recherche gegeben. Des Weiteren hat eine der Volontärinnen ein Sicherheitstraining (unter anderem zum Verhalten bei Demonstrationen) absolviert und ihre Erfahrungen mit der Gruppe geteilt. Je nach Thema wurden für die Recherche weitere Gespräche mit Experten, Betroffenen rechter Gewalt, Nichtregierungsorganisationen und Behörden geführt, soziale Medien beobachtet, der Verfassungsschutzbericht sowie Fachliteratur studiert und Gerichtsprozesse begleitet.
Die Beiträge wurden als multimediale Serie auf den Online-Portalen MOZ.de und LR.de ab September 2022 veröffentlicht. Dazu gehörten neben dem Schreiben der Texte das Erstellen von Google-MyMaps-Karten, die Produktion von drei Podcast-Folgen für die hauseigenen Formate, das Erstellen eines Quiz, ein Pro und Contra, Kommentare sowie Interviews mit Zeitzeuginnen und -zeugen. Zudem erschienen die Texte als halbseitige, ganzseitige und doppelseitige Serienbeiträge in den Printausgaben des Märkischen Medienhauses (MMH).
Der Aufwand
Der Aufwand für ein solches Projekt ist erheblich. Es erforderte tiefgründige und zeitaufwendige Recherchen und mitunter auch Abstimmungen mit der Rechtsabteilung des MMH. Das Themengebiet benötigt besonders viel Sensibilität und Bereitschaft zur Weiterbildung. Im Monat standen den Volontärinnen und Volontären dafür zwei Arbeitstage zur Verfügung. Einer dieser Arbeitstage wurde unter anderem für den Austausch zum individuellen Umsetzungsstand der Beiträge genutzt. Aber auch darüber hinaus gab es eine enge Rücksprache mit den zuständigen Volo-Betreuern.
Die Reaktionen
Die Beitrage haben viele Menschen erreicht und zu dem ein oder anderen Abo-Abschluss geführt. Auch hinsichtlich der Verweildauer in den Texten und der Anzahl der Digital-Abo-Leser waren die Beiträge überdurchschnittlich erfolgreich. In den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, für die die Volontärinnen und Volontäre zu den Texten passende Beiträge erstellt haben, können die betreffenden Posts ebenfalls mehr Interaktionen als andere Beiträge vorweisen. Von der Leserschaft gab es sowohl Anerkennung und Lob für die Serie als auch Kritik. Einzelne Beiträge wurden in den sozialen Medien rassistisch kommentiert. Andere bemängelten die Priorisierung des Themas, wo man sich doch um „wichtigere“ Themen kümmern könnte.
Das Fazit
Im Lokaljournalismus kann es schnell gefährlich werden, wenn über Rechtsextreme geschrieben wird. Nicht selten läuft man den entsprechenden Leuten am nächsten Tag beim Einkaufen, beim Sport oder in der Stadt über den Weg. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, genau hinzuschauen, wenn rechte Auffassungen im eigenen Umfeld versuchen, Fuß zu fassen. Das Projekt hat die Volos bestärkt, dem Thema mehr Gewicht innerhalb des Redaktionsalltags einzuräumen. Das funktioniert jedoch nur mit genügend Zeit für eine detaillierte, dauerhafte Recherche, mit journalistisch genauem Arbeiten, regelmäßiger Dokumentation und einer engen Abstimmung zwischen Redaktion, Ressortleitung, Chefredaktion und Justiziariat.
Text: Heike Reiß, Lukas Märkle und Marc Schütz
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