Interview

„Eine gute Zeit für Innovationen im Lokalen“

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Der Digitalexperte Dennis Horn (Foto: WDR/Annika Fußwinkel)
Der Digitalexperte Dennis Horn (Foto: WDR/Annika Fußwinkel)

Viele Journalisten denken beim Thema Innovation zuallererst an mögliche Probleme. Wie sich Redaktionen öffnen können, darüber spricht Digitalexperte Dennis Horn mit unterschiedlichen Medienschaffenden in seinem Podcast „Innovationstheater“.

Herr Horn, Sie kritisieren auf Ihrer Internetseite: „Viele Medienhäuser schreiben sich Innovation auf die Fahnen – und ersticken sie gleichzeitig im Keim.“ Wie meinen Sie das?

Innovation ist in den vergangenen Jahren in den Medienhäusern ein großes Thema geworden, in den größeren Häusern sind Innovationsabteilungen entstanden, in den Redaktionen steht der digitale Wandel auf der Tagesordnung, gleichzeitig aber laufen diejenigen, die sich mit Innovationen beschäftigen, in den Häusern immer wieder vor Wände. Oft wird Innovation nicht konsequent genug betrieben – nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.

In Ihrem Podcast „Innovationstheater“ sprechen Sie mit Medienmachern darüber, wie man vorgehen sollte, wenn man neue Ideen umsetzen will. Die Gesprächspartner kommen aus unterschiedlichen Bereichen – vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Forschung bis hin zu Think Tanks. 
Wie wählen Sie aus?

Der Podcast stellt die Recherche dar für ein Buch, das ich über das Thema schreiben will. Deshalb hab ich meine Gesprächspartner danach ausgesucht, welches Themenfeld ich genauer in Augenschein nehmen will. Mir ist es wichtig, mich über meine eigene Blase hinauszubewegen. Alle Medienhäuser können davon profitieren, wenn sie sich mehr austauschen. Ich finde, dass wir im Journalismus Erkenntnisse aus der Welt der Start-ups und der Wissenschaft nicht schnell genug berücksichtigen. Die Wissenschaft sagt schon seit Längerem, dass Journalistinnen und Journalisten mit ihrem auf Probleme fixierten Mindset nicht die beste Berufsgruppe für Innovationen sind. Diese Erkenntnis spielt aber bis heute in den Redaktionen keine große Rolle und wird kaum debattiert.

Also besteht im Journalismus, der sich inhaltlich per se stark auf Probleme und Krisen konzentriert, ein inneres Hemmnis, sich optimistisch und produktiv mit Innovationen auseinanderzusetzen?

Genau so ist es. Journalistinnen und Journalisten werfen bei dem, worüber sie berichten, einen Blick auf die Probleme – und wenden diesen Fokus auch an, wenn sie auf die Veränderungen im eigenen Haus blicken. Sie sehen seltener zuerst die Chancen. Wenn man das in den Redaktionen früher besprochen hätte, würden wir heute ganz anders auf den konstruktiven Journalismus blicken und stärker auf die Chancen.

Können Sie je nach Sparte unterschiedliche Herangehensweisen erkennen?

Alle eint die Tatsache, dass sich Innovationsfragen auf Kulturfragen herunterbrechen lassen. Innovation hängt stark mit der Kultur zusammen, die in einem Haus gepflegt wird. Die lässt sich selten direkt verändern. Man kann aber Bedingungen schaffen, die dafür sorgen, dass sich die Kultur verändert. Und diese Bedingungen sind dann doch sehr unterschiedlich.

Inwiefern?

Wir können auf der einen Seite ein Start-up haben, das sich ein völlig neues Organisationsgefüge gibt, zum Beispiel eine Redaktion ohne Chefredakteur, die sich selbst organisiert, Stichwort New Work. Auf der anderen Seite gibt es große Medienhäuser, die sich nicht von heute auf morgen anders organisieren lassen. Dort gibt es dann Innovationsabteilungen, deren Aufgabe es ist, die Redaktionen zu unterstützen, damit sie innovativer werden können. Und es gibt kleine Lokalredaktionen, die etwas hemdsärmeliger rangehen können, um Innovationen zu ermöglichen. Eine grundsätzliche Idee für eine innovativere Grundstimmung ist, mehr Freiraum zu schaffen. Das Media Lab Bayern, das sich der Förderung journalistischer Start-ups verschrieben hat, empfiehlt zum Beispiel, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur 80 Prozent ihrer Zeit mit geplanter Arbeit beschäftigen sollten, damit in den restlichen 20 Prozent neue Dinge und Ideen entstehen können. So etwas kann man sich abschauen. Man kann sich fragen: Was machen Start-ups vergleichbarer Größe?

Man hört ja von Mitarbeitern oft, dass sie vom Innovationsdruck überfordert sind, einfach weil sie schon mit der herkömmlichen Arbeit – Seiten füllen, Inhalte erstellen etc. – stark ausgelastet sind.

Vor allem die tagesaktuellen Redaktionen befinden sich oft in einem Hamsterrad. Es sind aber oft auch solche Redaktionen, die noch den klassischen journalistischen Auftrag verfolgen: die Breite aller relevanten Themen für eine möglichst große Zielgruppe, also im Grunde für alle. Nur wenige Redaktionen fragen sich: Worauf wollen wir überhaupt unseren Fokus legen? Ich selbst habe bei einem lokalen Sender volontiert, der immer versucht hat, alles zu machen – von der großen Bundespolitik bis ins Lokale. Da gibt es auch eine Angst, nicht mehr für relevant gehalten zu werden, wenn man zum Beispiel die große Politik nicht bearbeitet. Die innovativen Redaktionen aber haben genau das hinter sich gelassen. Sie haben sich die Frage gestellt: Für wen mache ich was? Wer ist meine Zielgruppe? Wie fokussiere ich mich inhaltlich? Im nächsten Schritt haben sie ganz konsequent weggelassen, was keine Rolle spielte in ihrem Konzept. Dadurch entsteht Freiraum für Neues.

Was sind am Ende die Erfolgskriterien, mit denen sich messen lässt, ob sich eine Innovation gelohnt hat oder nicht?

Das ist schwer zu sagen und hängt von der Art der Innovation ab. Manche Medienhäuser messen Innovationsfähigkeit anhand der Geschwindigkeit, mit der sie Neuerungen umsetzen. Time-to-Market heißt es zum Beispiel beim Spiegel. Bei anderen geht es mehr um die Ziele: Wie groß ist meine Reichweite? Gewinnen wir ein Publikum damit? Und manchmal gibt es auch Innovationen, die vor allem eine interne Wirkung haben können: bei denen es vor allem darum geht, die Redaktion erst mal in Bewegung zu bringen. Hier ist das vorrangige Ziel, die Köpfe für Neues zu öffnen.

Sollte man angesichts der vielen digitalen Möglichkeiten, die es heute gibt, etwas positiver und lustvoller an das Thema Innovationen herangehen?

Definitiv. Es hat sich aber auch schon vieles verändert, ich würde das Bild nicht mehr so negativ zeichnen wie zu Beginn meines Podcasts. Wenn wir Innovation sagen, haben wir ganz schnell das Internet, das iPhone, Goo­gle usw. im Kopf. Aber diese Zeit der großen Sprunginnovationen war eine Besonderheit. Der Normalfall besteht aus vielen kleinen Schritten. Und die werden immer häufiger gegangen. Eigentlich ist es aufgrund der vielen Tools und Möglichkeiten eine sehr gute Zeit für Innovationen im Lokaljournalismus.

Interview: Stefan Wirner

Hier geht es zum Podcast von Dennis Horn, zum „Innovationstheater“.

Dennis Horn

arbeitet als Moderator, Autor und Experte an der Schnittstelle zwischen Fernsehen, Radio und Internet. Er ist als Digitalexperte in der ARD regelmäßig im „Morgenmagazin“ oder in der „Tagesschau“ zu sehen und in den Radiosendern der ARD zu hören. Er hat den WDR Innovation Hub mit entwickelt und mit dem „Innovationstheater“ einen Podcast über Innovation in den Medien gestartet.
E-Mail: horn@dennishorn.de

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