Mit neuen Ideen in der Offensive
von René Martens
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von der „Krise als Chance“ zu sprechen, kann etwas geschmacklos wirken. Man findet aber durchaus Lokalsportredakteure, die sagen, dass der Druck, der durch den Wegfall der Berichterstattung über aktuellen Amateursport entstanden ist, auch gute Ideen erzwungen hat. Die Sauerlandsport-Redaktion der Westfalenpost zum Beispiel hat im Mai 2020 und im Februar dieses Jahres einen „Konsolen-Cup“ durchgeführt. 16 Sportler aus dem Verbreitungsgebiet traten dabei jeweils an der Playstation gegeneinander an, viele der Spiele des Turniers wurden live über die Plattform Twitch gestreamt. Das „sollte natürlich jüngere Generationen ansprechen und das Medium Zeitung für sie interessant machen“, sagt Redakteur Philipp Bülter.
Geschichten jenseits der Wettkämpfe
Er ist einer von zwei Redakteuren in der Sauerlandsport-Redaktion der Westfalenpost. Das Duo, das seinen Arbeitsplatz im Arnsberger Stadtteil Neheim hat, profitiert davon, dass man sich bereits vor Ausbruch der Pandemie nicht nur auf Ereignisberichterstattung, sondern auch auf Geschichten jenseits des Wettkampfgeschehens konzentriert hat. „Unser Konzept für einen modernen Lokalsport existiert seit Anfang des Jahres 2019“, betont Bülter. Seitdem gebe es feste Wochentage für bestimmte Textformen, etwa „Human-Touch-Geschichten“ oder große Interviews.
Einige Dinge aber „hätte man vor Corona sicherlich nicht gemacht“, sagt Bülter. Zum Beispiel Rankings mit den „zehn kuriosesten Berufen“ der Amateursportler im Hochsauerlandkreis. Hinzu gekommen sind auch „Selbstversuche“ der Sportredakteure. Philipp Bülter etwa ist in einem Flugzeug eines Luftsportvereins mitgeflogen und hat darüber geschrieben.
Vielerorts setzen Lokalsportredaktionen jetzt auf historische Rückblicke. Bülter sagt, generell finde er das eher nicht attraktiv, heute noch einmal aufzugreifen, was an einem bestimmten Tag vor 50 Jahren in der Zeitung stand. „Aber vielleicht liegt das an meinem Alter“, sagt der 35-Jährige. Um eine Geschichte aus der Vergangenheit will sich demnächst dennoch kümmern: die des TC Blau-Weiß Sundern, der in den frühen 2000er-Jahren zweimal deutscher Mannschaftsmeister im Tennis wurde, unter anderem unter Mithilfe Boris Beckers, den ein Mäzen für kurze Zeit in die sauerländische Stadt gelockt hatte.
Experimente beim Delmenhorster Kreisblatt
Aktuelle Wettkampfberichterstattung findet man derzeit auch im Delmenhorster Kreisblatt kaum. Zugute kommt der aus zweieinhalb Stellen bestehenden Sportredaktion aber, dass im Verbreitungsgebiet – dem Landkreis Oldenburg und der Stadt Delmenhorst – der Reitsport „einen hohen Stellenwert hat“, wie Redakteur Lars Pingel sagt. Einige Athleten aus der Region sind bei Turnieren bundesweit unterwegs, und für das Delmenhorster Kreisblatt besonders wichtig sind dabei Wettbewerbe, an denen die Vielseitigkeitsreiterin Sandra Auffahrt aus Ganderkesee teilnimmt. Sie hat bereits drei Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen.
Pingel hebt hevor, dass man viele Überlegungen, die man auch schon vor der Pandemie angestellt hatte, in den vergangenen Monaten intensiviert hat, da argumentiert er ähnlich wie sein Kollege von der Westfalenpost. „Wir denken ja nicht erst seit Corona darüber nach, wie die Berichterstattung über Lokalsport wahrgenommen wird“, sagt Pingel. Wenn man beispielsweise einen Ehrenamtlichen porträtiere, erreiche man damit auch Leser, die sich für aktuelle Spielberichte nicht interessieren, meint er. Generell gelte: „Wir probieren derzeit viel aus, und ein Teil davon wird auch nach Corona bleiben. Es wird zum Beispiel mehr personalisierte Geschichten geben als vor der Pandemie.“ Sein Ziel ist es, „einen Weg finden zu, unsere Stärken in der tagesaktuellen Berichterstattung über die Ereignisse eines Sportwochenendes mit den Stärken zu kombinieren, die wir uns jetzt erarbeitet haben.“ Vielleicht werde man nach Corona auf inhaltlicher Ebene von einem „soften Relaunch“ des Lokalsportressorts sprechen können.
Veränderte Strukturen in Magdeburg
Die Volksstimme in Magdeburg hat sich während der Corona-Pandemie dazu entschieden, die Strukturen der Sportberichterstattung zu verändern. Man verschmolz die sogenannte Hauptsportredaktion – zuständig etwa für die beiden Spitzenmannschaften des Verbreitungsgebiets, den 1. FC Magdeburg (Fußball) und den SC Magdeburg (Handball) – mit dem Lokalsportressort. Das sei ein „völlig neuer Weg“, sagt Daniel Hübner, der stellvertretende Leiter des Sportressorts. Der Gesamtsportredaktion der Volksstimme gehören nunmehr sechs Redakteure an; das frühere Lokalsportressort bestand nominell aus einem Redakteur und einem Volontär. Die neue Organisation habe unter anderem den Vorteil, dass sich Wochenenddienste besser verteilen lassen, meint Hübner. Die inhaltliche Aufteilung erfolgt nun nach Themengebieten. „Das wollen wir auch für die Saison 21/22 so beibehalten“, sagt Hübner.
Verglichen mit anderen Sportredaktionen, seien seine Kollegen und er „in einer relativ komfortablen Situation“, erläutert Hübner. Bis zum Pfingstwochenende können sie über die Punktspiele des 1. FC Magdeburg in der 3. Liga berichten, die Saison der Handball-Bundesliga endet erst im Juli. Zudem widmet sich die Volksstimme Magdeburger Leistungssportlern aus dem Nachwuchsbereich, die sich beispielsweise auf die im Sommer stattfindenden Junioren-Weltmeisterschaften im Kanu und Rudern vorbereiten.
Um die Pandemie-typischen Unwägbarkeiten kommen Redakteure beim Schreiben aber oft nicht herum. Ein kürzlich erschienener Artikel über einen American Footballer aus Magdeburg, der aus der Regionalliga in die 1. Liga wechselt, beginnt etwa mit folgenden Worten: „Für Dominik Banse geht in diesem Sommer ein Traum in Erfüllung – sofern ihm die Corona-Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht.“
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