Berichterstattung zum ESC
von Jan Steeger
Am 14. Mai war es soweit: 120 Millionen Menschen saßen vor dem Fernsehen und schauten nach Düsseldorf. In der Stadt, die darunter leidet, das sie im Schatten ihres 40 Kilometer entfernten Nachbarn Köln steht, fand das Finale des Eurovision Song Contest, kurz ESC, statt. Und so war es nicht verwunderlich, dass in den zwei Wochen zuvor diese drei Buchstaben das Geschehen in Düsseldorf bestimmten. Die Welt sah nach Düsseldorf. 2500 Journalisten vor Ort sorgten dafür. Aber wie gingen die Zeitungen vor Ort mit dem Großereignis um? Zwei Strategien für den Ausnahmezustand.
Seit dem 4. Mai widmete die Rheinische Post (RP) dem ESC täglich ein ganzes Buch. Auf acht Seiten drehte sich alles um das Musikfestival. „Das war viel“, räumt Ulli Tückmantel ein, der die ESC-Berichterstattung bei der RP leitete. Aber schließlich müsse die Zeitung bei diesem Großereignis auch vielfältige Aufgaben erfüllen: Zum einen den Lesern den Musikwettbewerb überhaupt zu erklären. Welche Regeln gibt es? Wie ist der Ablauf? Wer organisiert das Ganze? Zum anderen den Gästen die Stadt Düsseldorf zu erklären. „Wir sind zwar keine Weltstadt, aber eine Stadt von Welt“, sagt Tückmantel. Zwei Seiten waren daher in jedem ESC-Buch lokalen Geschichten vorbehalten. Darüber hinaus sei es Aufgabe der Berichterstattung gewesen, auch die Teilnehmerbeiträge und die Länder vorzustellen. Dazu wurden so genannte QR-Codes im Blatt abgedruckt. Mit diesen Strichcodes erhielten die Leser die Links zu den Teilnehmerbeiträgen im Netz direkt auf ihre Smartphones.
Den Vorteil der Bündelung der ESC-Berichterstattung in einem Buch liegt für Tückmantel auf der Hand: „Der ESC spaltet die Leserschaft. Entweder die Leute sind fasziniert von diesem Ereignis oder sie lehnen es ab.“ RP-Leser, die dem Thema nichts abgewinnen können, legten den ESC-Teil einfach beiseite und wurden nicht weiter damit behelligt. „Negativ formuliert könnte man sagen: Wir halten den Rest der Zeitung ESC-frei“, sagt Tückmantel. Andererseits ist es natürlich ein großer Aufwand, jeden Tag zusätzlich acht Seiten zu stemmen. Um das zu schaffen, hat die RP eine achtköpfige Redaktion eingerichtet. Sieben Redakteure und ein Fotograf kümmerten sich seit einigen Wochen ausschließlich um die ESC-Berichterstattung. Die Kollegen kamen aus verschiedenen Ressorts, Ulli Tückmantel, Ressortleiter Report, führte die Truppe an. Anfang April gab es intern den Kick-off für das Projekt. Ende April bezog die ESC-Redaktion sogar eigene Räume im Haus.
Seitdem wurden viele Beiträge für die insgesamt 90 geplanten ESC-Seiten vorproduziert. Die großen Interviews waren beim Erscheinen der ersten Ausgabe am 4. Mai alle bereits im Kasten. „Wir wussten zu diesem Zeitpunkt auch bereits, was jeden Tag auf jeder Seite als Aufmacher stehen sollte“, sagt Tückmantel. Auf diese Weise hatte die Redaktion auch noch genug Kapazitäten, um auf aktuelle Ereignisse wie die 13 Verletzten auf dem ESC-Empfang oder die Tonpanne beim ersten Halbfinale reagieren zu können.
Ganz anders ging die Westdeutsche Zeitung den ESC an. Dort zog sich das Thema durch das ganze Blatt. Im Schnitt erschienen in den zwei Wochen vor dem Finale jeden Tag eine Seite im Mantel und eine im Lokalen mit Beiträgen rund um den Musikwettbewerb. „Im Lokalen war uns vor allem wichtig, zu zeigen, wie dieses Ereignis die Stadt verändert“, sagt Uwe-Jens Ruhnau, Leiter der Düsseldorf-Redaktion. Die Themenpalette war dabei breit. Die Redaktion stellte beispielsweise Vertreter der 43 am ESC beteiligten Nationen in Düsseldorf vor, berichtete, was die Delegationen in der Stadt machen, zeigte, wer sich an der Privatzimmerbörse in der Stadt beteiligt, oder porträtierte einen Polizisten, der eine Delegation begleitet. Auf dem Carlsplatz in Düsseldorf war die Zeitung zudem mit dem Redaktionsmobil vor Ort und fragte die Bürger, wie sie zum ESC stehen. Ein hoher Aufwand: Drei bis vier Kollegen aus der Lokalredaktion widmeten zwei Wochen lang einen Großteil ihrer Zeit dem ESC. Ein Kollege war fast immer in der Arena, wo die Veranstaltungen liefen.
Dennoch: „Der ESC hat uns nicht aus dem Konzept gebracht“, sagt Ruhnau. Das lag zum einen daran, dass die Lokalredaktion schon öfter mit Großveranstaltungen zu tun hatte, etwa mit der am jetzt zeitgleich zum ESC laufenden Interpack, einer Verpackungsmesse, zu der vor drei Jahren 170.000 Menschen in die Stadt kamen. Zum anderen habe sich die Zeitung frühzeitig auf das Ereignis vorbereitet.
Bereits kurz nachdem feststand, dass der ESC in Düsseldorf stattfinden würde, wurde eine Arbeitsgruppe mit Redakteuren von Mantel, Lokalem und Online gegründet. So konnte beispielsweise vor der heißen Phase eine achtseitige Beilage zum ESC angeschoben werden. Zudem nahmen die Redakteure bereits vor einem halben Jahr Kontakte zu Fanklubs und anderen für die ESC-Berichterstattung wichtigen Akteuren auf. Vier Kollegen akkreditierten sich für das Event. Auch ein Grobplan für die Berichterstattung in den zwei Wochen vor dem Finale stand bereits frühzeitig fest. „Den mussten wir jetzt nur noch feinjustieren“, sagt Ruhnau. Dazu diente eine tägliche Schalte kurz vor 11 Uhr, in der die Ressorts die Beiträge zum ESC koordinierten. „Wir hatten viel mehr Material, als wir abdrucken konnten“, sagt Ruhnau. Deshalb habe die Zeitung auch sehr viel online gemacht. Der Lokalchef glaubt, dass der Anteil der ESC-Berichterstattung im Blatt genau richtig dosiert war: „Mehr hätte den Leser einfach erschlagen.“
Text: Jan Steeger
Veröffentlicht am
Kommentare
Einen Kommentar schreiben