Handelsabkommen

Durch den Dschungel von CETA und TTIP

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Auswirkungen auf Kommunen?

Diese Abkommen gehen, wenn sie wirklich so ratifiziert werden sollten, bis an die kommunalen Wurzeln: US-amerikanische und kanadische Unternehmen, die zum Beispiel „legitime Erwartungen“ beeinträchtig sehen, könnten damit gegen die Maßnahmen einer Gemeinde, eines Bundeslandes oder eines Staats unter bestimmten Voraussetzungen klagen. Wie es jetzt gerade bei der Klage Vattenfalls gegen die Bundesregierung geschieht. Es könnte auch passieren, dass ein Unternehmen aufgrund kommunaler Maßnahmen die EU verklagt. Über solche Klagen müssen dann nicht zwangsläufig nationale Gerichte mit unabhängigen Richtern entscheiden, sondern die Klage kann auch vor einem internationalen Schiedsgericht verhandelt werden. Und diese Gerichte bestehen aus Branchenexperten mit finanziellen Interessen – im Falle von CETA sind es meist drei Schiedsrichter – die sich weitgehend intransparent hinter verschlossenen Türen beraten. Eine Revision vor einem höheren Gericht ist nicht vorgesehen.

Die einen sagen: Das untergräbt die Demokratie und schränkt kommunale Maßnahmen schon im Vorfeld aus Angst vor einer Klage extrem ein. Ganz abgesehen von dem finanziellen Schaden in Millionenhöhe, der durch eine erfolgreiche Klage entstehen kann (wer die Zeche zahlen würde, steht noch nicht abschließend fest). Die anderen sagen: Das ist ein unrealistisches Schreckensszenario. Vom Abbau der Handelshemmnisse profitieren alle, auch die Kommunen, TTIP und CETA werden den Handel, die Investitionen und den Wohlstand steigern. Spätestens jetzt wollen die Leser von ihrer Zeitung wissen, wie sie die Entwicklungen für sich und ihre Stadt einzuschätzen haben.

Mehr Entschädigungsklagen?

Pia Eberhardt arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Corporate Europa Observatory (CEO) und war eine der Expertinnen, die Mitte November in Berlin einen Journalisten-Workshop zum Thema „Konzernklagerechte im TTIP und CETA“ gaben. Sie hat an der Studie „Verkaufte Demokratie“ mitgewirkt und spielt die CETA-Klauseln für das Kommunale im Workshop durch. „Nehmen wir mal Fracking als Beispiel. In einer Region beantragt die zuständige Behörde eine Bodenbegutachtung – noch nicht die Bohrungslizenz. Beim Mittagessen mit kanadischen Investoren lässt sie aber durchblicken, dass die Bohrungslizenz bestimmt bald kommt. Dann investiert der kanadische Investor. Doch es regen sich Bürgerproteste – und die ganze Sache soll abgeblasen werden. Nun könnte der kanadische Investor mit Verweis auf CETA vor einem internationalen Schiedsgericht gegen die Behörde klagen, da diese eine „spezifische Äußerung“ abgegeben habe, die „legitime Erwartungen geweckt“ habe. Zudem sei es im CETA legitim, erwartete Gewinne in den Schaden einzubeziehen; wenn dieser kanadische Investor zum Beispiel mit 50 Millionen Euro gerechnet hat und das glaubwürdig machen könnte, wäre es möglich, das in die Klage einzubeziehen.

Die Nichtregierungsorganisation Campact hat im September die Kurzstudie „TTIP vor Ort“ veröffentlicht. Demnach sind nicht nur mehr Entschädigungsklagen gegen kommunale Maßnahmen zu erwarten, sondern auch, dass „Maßnahmen etwa zur Beschränkung von Gewerbeansiedlungen, zum Erhalt von Sparkassen oder zum Mieterschutz als TTIP-Verstöße unter Druck geraten“ könnten. Zudem sei, „da es keine grundsätzliche Ausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge von TTIP gibt, eine weitere Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Leistungen zu befürchten“.

Globale Wettbewerbsfähigkeit?

Auf der anderen Seite wird TTIP nicht nur als wirtschaftlicher Heilsbringer gesehen, sondern auch als eine Voraussetzung, um überhaupt global wettbewerbsfähig zu sein. „Wenn TTIP und CETA umgesetzt werden, sind überall im Land Arbeitsmarkteffekte zu erwarten. Im Lokalen könnte insbesondere der Mittelstand vom Abbau von Zöllen und regulatorischer Handelshemmnisse profitieren“, sagt der Referent für Außenwirtschaftspolitik, Fabian Wendenburg, vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Einzelne Studien gehen davon aus, dass das BIP durch TTIP um 0,5-1% wachsen könnte. Auch in der Wirtschaftsweise selbst würde das sichtbar machen: Harzer Käse könnte mit CETA bald günstiger nach Ottawa verkauft, am Flughafen BER könnten kanadische oder US-amerikanische Mitarbeiter chancengleich arbeiten – und umgekehrt.

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