Horst Seidenfaden ist gestorben
von Anke Vehmeier
Ein großer, ein kreativer, ein wahrer Lokaljournalist hat uns für immer verlassen: Wir trauern um Horst Seidenfaden. Er ist im Alter von 68 Jahren verstorben. Völlig unerwartet. Wir hatten doch noch am Tag vorher telefoniert und Pläne gemacht. Horst Seidenfaden war in seiner Zeit als Chefredakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) in Kassel und später als Pensionär, der er niemals war, ein unglaublicher Ideengeber für das Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung. Er war kritisch, er war unnachgiebig, er forderte viel für den besseren Lokaljournalismus. Auch wenn er wie ein harter Chef rüberkam, hatte er doch das Herz am rechten Fleck.
Eine Freundin gibt immer folgende Geschichte zum Besten: Als sie sie sich, aus dem tiefen Sauerland kommend, zum Vorstellungsgespräch für ein Volontariat bei der HNA nach Kassel völlig verfahren hatte, war es der Chefredakteur selbst, also Horst Seidenfaden, der die völlig aufgelöste junge Frau beruhigte und kurzerhand losfuhr, um sie in einem Industriegebiet abzuholen und in das Verlagshaus der HNA zu geleiten. Sie hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass man mit so einer Schusseligkeit niemals eine Anstellung erhalten würde. Aber unter seiner Anleitung wurde sie eine erfolgreiche Journalistin – wie so viele Journalistinnen und Journalisten, die einmal unter Seidenfaden gearbeitet haben, heute in Leitungspositionen im Lokaljournalismus tätig sind.
Horst Seidenfaden war ein großer Erzähler, unglaublich witzig, spritzig. Es machte immer Spaß, mit ihm zu plaudern, zu lachen, Pläne zu schmieden und neue Ideen zu entwickeln.
Unser erster Kontakt auf einem unserer Journalistenseminare wäre auch fast der letzte gewesen, denn Horst, wie ich ihn später nennen durfte („Ach, lassen wir doch mal diesen Siez-Mist…“), kritisierte, wie es gerne seine Art war, unser liebevolles Konzept mit den Worten: „Das geht ja wohl besser.“ Wir haben ihn, den Großkritiker, dann engagiert, er war aber als Moderator nicht ganz so erfolgreich, das hat er dann auch selbstkritisch (ja, das war er immer!) resümiert: „Jo, das habe ich wohl unterschätzt.“ Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!
Horst Seidenfaden war immer auf der Höhe der Zeit. So setzte er früh konsequent auf das Lokale: Unter seiner Regie begann die HNA als erste große Regionalzeitung auf der ersten Seite mit dem Lokalen. Gleichzeitig verstand er das Internet als große Chance für Journalismus und Medienhäuser. Er forcierte die digitale Transformation und stellte die Redaktion crossmedial auf. Er konzipierte zum Beispiel ein Regio-Wiki für Nordhessen und die App „Kassel live“ – die Idee: die User sollen aktuell erfahren, was gerade in Kassel und der Region passierte. Auf seine Initiative hin haben wir gemeinsam in der Corona-Pandemie die digitalen Ein-Tages-Workshops des Lokaljournalistenprogramms ins Leben gerufen. Lokalsport, Nachhaltigkeit und Erinnerungsjournalismus waren sofort der Renner, zigfach überbucht und nachgefragt. Sie sind inzwischen ein fester Bestandteil des Lokaljournalistenprogramms.
Seine Reihe „Horst stört“ in der drehscheibe – Interviews mit Medienmachern – war, wie Horst eben war: investigativ, informativ, unterhaltsam und vor allem echt.
Ich werde unseren Austausch, seinen Humor und seine Geschichten vermissen.
Wir erleben einen Verlust. Wir haben jemanden verloren, der sich nicht ersetzen lässt. Wir müssen Horst Seidenfaden in Erinnerung behalten, diesen intensiven Menschen, hartnäckig und voller Lebenskraft.
Anke Vehmeier, Leiterin des Lokaljournalistenprogramms der bpb
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